BoJack Horseman

von Roland Cremerius

BoJack Horseman, zur einen Hälfte Pferd, zur anderen Mensch, lebt zusammen mit seinem nichtsnutzigen Mitbewohner Todd in einer Luxus-Villa in den Hollywood Hills. In den 90er Jahren war BoJack der Star der erfolgreichen Sitcom „Horsin‘ Around“, hat aber seit 18 Jahren keine Rolle mehr im öffentlichen Leben gespielt. Stattdessen hat er die Wiederholungen seiner eigenen Serie geschaut und Bier getrunken. Weil er fünfhundert Kilo wiegt, musste er immer sehr viel Bier trinken, um betrunken zu werden.
BoJacks Exfreundin und Agentin Princess Carolyn engagiert die junge Ghostwriterin Diane Nguyen, um eine Biografie über BoJack zu schreiben, die ihn wieder ins öffentliche Leben rücken soll. Dianes Anspruch, ein 'wahres' Buch zu schreiben, führt zu einer intensiven Auseinandersetzung mit BoJacks Vergangenheit.


Abbildungen: Screenshots aus BoJack Horseman.


Genre

BoJack Horseman ist eine Zeichentrickserie, die auf den ersten Blick an US-Amerikanische Comedy-Serien wie Family Guy oder American Dad erinnert. Im deutschen Netflix-Angebot wird sie als „US-Serie“ und „Comedyserie“ getaggt.
Auffälligstes Merkmal der Serie sind die anthropomorphisierten Tierfiguren: Neben BoJack Horseman treten viele weitere Figuren mit menschlichem Torso und Tierkopf auf. Die tierischen Identitäten der Figuren werden häufig genutzt, um absurde Situationen zu inszenieren: So schubst etwa BoJack die Katzenfigur Princess Carolyn nach einem Streitgespräch kurzerhand aus dem fahrenden Auto. Was für einen Menschen lebensgefährlich wäre, ist für die Katze allerdings harmlos – sie landet auf allen Vieren und ärgert sich bloß über den schroffen Abschied. Der tollpatschige Gecko Charlie Witherspoon gerät durch seine besonders haftfähigen Hände immer wieder in peinliche Slapstick-Situationen und erfreut sich dafür bei Fans und Kritikern besonderer Beliebtheit.
Innerhalb der Serie wird wiederum häufig die Serie „Horsin‘ Around“ geschaut, derartige metadiegetische Einschübe zeichnen sich durch parodistisch überspitze Sitcom-Elemente wie etwa übertrieben inszenierte Bühnenauftritte und eingespielte Lacher aus. In der Regel nehmen diese Binnenerzählungen nur einen kleinen Teil der Gesamthandlung ein. Eine Besonderheit stellt hier das Weihnachtsspecial da, welches am 19. Dezember 2014 veröffentlich wurde und fast ausschließlich eine alte Folge „Horsin‘ Around“ zeigt. Die erste Erzählebene, in welcher BoJack und Todd vor dem Fernseher sitzen, wird hier so stark vernachlässigt, dass man die Folge als (animierte) Sitcom-Episode verstehen kann.


Dramaturgie und narrative Struktur

BoJack Horseman erzählt, untypisch für US-Amerikanische Animationsserien und entgegen aller Sitcom-Regeln, eine fortlaufende Geschichte. Auffällig sind außerdem die vielen Metadiegesen: Aus der Rahmenhandlung springt die Erzählung immer wieder in verschiedene eingebettete Erzählungen.
Häufig handelt es sich dabei um BoJacks Erinnerungen an seine Vergangenheit, die er der Ghostwriterin Diane erzählt. Zweitens sind immer wieder Ausschnitte der Serie „Horsin‘ Around“ zu sehen, die sich BoJack mit seinem Mitbewohner Todd anschaut. Obwohl „Horsin‘ Around“ innerhalb der Erzählwelt von BoJack Horseman nur eine fiktionale Erzählung ist, hat sie für BoJack einen besonderen Stellenwert, da er immer noch schwärmerisch an der Rolle hängt, die er in dieser Serie spielte und die ihn als Schauspieler berühmt machte.
In der vorletzten Folge der ersten Staffel („Depri-Ende“) ist eine psychedelische Traumsequenz zu sehen. Nachdem BoJack eine erhebliche Menge nicht näher bezeichneter Drogen eingenommen hat, erlebt er einen verstörenden Trip, in welchem traumatische Erlebnisse seines Lebens mit aktuellen Ängsten und Wünschen verschmelzen. Als er Diane küsst, verwandelt sie sich ein schleimiges Monster. Er sieht ein alternatives Leben, in welchem er mit einer früheren Liebe in einem Haus im Wald lebt. Zuletzt verliert er mehr und mehr seine animierte Gestalt, bis er nur noch ein Strichmännchen auf einem Blatt Papier ist, das von einem Radierer ausgelöscht wird. Diese Sequenz kann als Metalepse verstanden werden, da sie offen auf die mediale Natur der Zeichentrickfiguren anspielt.
Neben diesen längeren Metadiegesen spielt die Serie auch häufig nur wenige Sekunden lange sketchartige Erinnerungen ein, wenn die Dialoge der Figuren auf Vergangenes anspielen. Als sich Princess Carolyn zu Beginn der Serie von BoJack trennt, begründet sie den Entschluss unter anderem damit, dass BoJack keine Kinder mit ihr haben wolle. Dieser behauptet, so etwas nie gesagt zu haben, woraufhin sie entgegnet, dass sein Verhalten das aber nahelege. Es folgt ein kurzes Flashback, in dem Princess Carolyn und BoJack neben einer Mutter mit einem Kinderwagen sitzen. Als Carolyn BoJack darauf aufmerksam macht, wie süß das Kind aussieht, tritt dieser den Kinderwagen um und rennt panisch davon.


Rezeption

Die Rezensionen englischsprachiger Kritiken fielen im Vergleich zu den deutschen tendenziell schlechter aus. Im San Francisco Chronicle heißt es, dass die sie Serie trotz interessanter Ausgansszenarien mittelmäßig geschrieben sei. Matthew Gilbert vom Boston Globe nennt sie „a lame horse“.
Die deutschsprachigen Rezensionen fielen günstiger aus. Zeit Online lobt die Verspieltheit der anthropomorphisierten Tierwelt und charakterisiert die Serie als „beißende Satire der Medien- und Unterhaltungsbranche“. Der Tagesanzeiger nennt BoJack Horseman eine „kluge Gesellschaftsstudie“.
Am Positivsten nahmen die Zuschauer*innen die Serie auf. In der IMDb erhielt BoJack Horseman von rund 8.000 Usern eine durchschnittliche Bewertung von 8,3 von 10 Sternen. Bei Netflix erreicht die Serie 3,8 von 5 Sternen bei rund 750.000 Bewertungen. (Stand: 11.02.2015)


Angaben

Staffeln: 6
Episoden: 77 in 6 Staffeln
Episodenlänge: 25 Minuten
Erscheinungsrhythmus: Alle Folgen wurden am 22. August 2014 veröffentlicht (bzw. am 16. September 2014 mit dem Start von Netflix Deutschland). Das Weinachtsspecial erschien am 19. Dezember 2014.
Zuerst gezeigt auf: Netflix
Produktion: ShadowMachine und Tornante Company
Jahr: 2014 -2020
Genre: Comedy


Abrufbar unter:

Netflix


Sonstige Quellen

bojackhorseman.com
BoJack Horseman auf Facebook
BoJack Horseman auf Twitter
BoJack Horseman in der IMDB
'BoJack Horseman' review: Saddled with mediocre writing (sfgate.com)
Netflix’s ‘BoJack’ is one lame horse
“BoJack Horseman”: Erzähl mir was vom Pferd (Zeit Online Netzfilmblog)
Jeder ist sein eigenes Tier (Tagesanzeiger)
Your Daily TV Spirit Animal: ‘Bojack Horseman’ Intern, Charlie Witherspoon (Observer)
(Zugriff jeweils: 26.08.2020)

Roland Cremerius, 08.06.2015.