Prom Queen
von Markus Kuhn und Andreas Veits
Im Mittelpunkt von Prom Queen stehen zehn Jugendliche, die sich
kurz vor ihrem Highschool-Abschluss befinden. Es geht sowohl um Konflikte mit
den Eltern, erste Liebesbeziehungen und die Suche nach der eigenen Identität als
auch um die nächste große Sportveranstaltung, coole Poolpartys und die
Vorbereitung des Abschlussballs. Adoleszenz-Geschichten, aufgelockert durch Themen
des Highschoolfilms. Doch die Inszenierung von Coming-of-Age-Motiven wird mit
einem mysteriösen Crime-Plot verwoben: Ausgerechnet für den Tag des
Abschlussballs kündigt ein mysteriöser Unbekannter einen Mord an, in den
mindestens eine der Hauptfiguren verwickelt werden soll.
Die zweite Staffel Prom Queen: Summer Heat knüpft an die
erste Staffel an und zeigt die Highschool-Absolventen bei einer Abschlussfahrt.
Im Mittelpunkt der dritten Staffel (Prom
Queen: Homecoming) steht dann die Aufklärung des Mordanschlags aus der
ersten Staffel sowie eines weiteren Gewaltverbrechens im Rahmen eines ‚Proms‘.
Prom
Queen kann als eines der bekanntesten und beliebtesten frühen Webserien-Franchises
verstanden werden. Laut Angaben der Produzenten aus dem Jahr 2012 wurde die
erste Staffel von Prom Queen über 40
Millionen Mal angeschaut. Zudem wurden die verschiedenen Staffeln der Webserie
weltweit ‚zweitverwertet‘ und liefen nach der Erstveröffentlichung im Netz
beispielsweise im französischen oder japanischen
Fernsehen.
Distribution
und Vermarktung
Die ersten beiden Staffeln von
Prom Queen liefen auf Myspace sowie
auf der eigenen Website „Promqueen.com“. Die letzte Staffel der Webserie wurde
über die Webseiten der nordamerikanischen TV-Sender CW Televison Networks und
City TV veröffentlicht. Eine besondere Verknüpfung mit dem Portal MySpace war in
der ersten Staffel dadurch gegeben, dass die Figuren der Serie über eigene Myspace-Profile
und Video-Blogs verfügten. Die fiktionalen Charaktere wurden jenseits der Serie
wie reale Netzidentitäten inszeniert. Somit wurde nicht nur die Grenze zwischen
Fakt und Fiktion aufgeweichtv, sondern auch eine verstärkte Bindung zwischen
realen MySpace-Usern und dem Erzählkosmos der Webserie ermöglicht
(ausführlicher zur medialen Rahmung von
Prom Queen vgl. Kuhn: 2014).
Prom
Queen wurde von vornherein professionell vermarktet. Der
Limonadenhersteller Pom Wonderful trat als einer der Hauptsponsoren der
Webserie auf. Auch Textilunternehmen wie Victoria's Secret oder HotKiss unterstützten
die Webserie finanziell. Im Gegenzug verpflichteten sich die Produzenten von Prom Queen dazu, die Produkte der
genannten Firmen werbewirksam in der Webserie zu platzieren. Neben diesem wirkungsvollen
Product-Placement wurden ebenfalls Merchandise-Artikel über die Prom-Queen-Homepage
vertrieben.
Nach der Produktion der
zweiten Staffel Prom Queen: Summer Heat
wurde das Serienformat 2008 nach Japan verkauft, wo die Webserie unter dem
Titel Tokyo Prom Queen (2008-2009) neu
aufgelegt wurde. Im Jahr 2010 folgte dann eine dritte Staffel mit dem Titel Prom Queen: The Homecoming, die die
Storyworlds von Prom Queen und der beliebten
Webserie Sam has 7 Friends zusammenführte,
die von den Prom-Queen-Produzenten im Jahr 2006 gestartet worden war und in 80
Episoden von den letzten Tagen im Leben einer jungen Schauspielerin erzählt.
Genre,
Dramaturgie und narrative Struktur
In der ersten Folge der ersten
Staffel („The Long Walk“) wird eine mysteriöse Spannung aufgebaut, die erst
spät, am Ende der 80 Folgen umfassenden ersten Staffel, wieder aufgelöst wird –
und dort auch nur teilweise, sodass einige der Handlungsfäden in der dritten
Staffel wieder aufgenommen werden können. Die eigentliche Exposition beginnt schließlich
mit der zweiten Folge („Teenage Wasteland: The Video Yearbook“): Die britische
Gaststudentin Danica Ashby geht mit einer Digitalkamera durch die Schule und
konfrontiert ihre amerikanischen Mitschülerinnen und Mitschüler mit Fragen nach
der Bedeutung des bald anstehenden Abschlussballs. Die Figuren, die dabei
vorgestellt werden, erinnern an das prototypische Personal aus Highschool-Filmen
oder -Serien: Lauren Holland, der 'Klassenschwarm', Chat Moore, der 'professionelle
Athlet', Sadie Simmons, die politische Aktivistin...
Abbildungen: Screenshots aus Prom Queen. |
Die Erzählung greift im
weiteren Verlauf immer wieder verschiedene stereotype Elemente dieses Subgenres
des Teenpics auf und verdichtet diese. Der Handlungsraum ‚Highschool‘ spielt
dabei eine wichtige Rolle: Solche Bereiche wie der Klassenraum, der Sportplatz
oder der Flur mit Schließfächern werden als zentrale Orte der Begegnung und Auseinandersetzung
zwischen den Schülern inszeniert. Zudem dient das Motiv des Abschlussballs als
wichtige Verknüpfung. Dies wird beispielhaft in der zweiten Folge der Webserie
deutlich, wenn Danica ihre Mitschüler zu dem anstehenden Prom befragt. Hierbei treten
zum einen unterschiedliche Einstellungen der Schüler zu diesem ‚Ritual‘ hervor,
zum anderen wird aber auch deutlich, dass keiner der Highschool-Absolventen diesem
völlig gleichgültig entgegentritt. Eine SMS, die die Figur Ben Simmons am
Schluss der zweiten Folge erhält, lädt den Ball und die Wahl zur Prom Queen mit
zusätzlicher Bedeutung auf: „U r going 2 kill the prom queen“, schreibt ein
„unknown user“. So etabliert die SMS den Ball als zentrales Ereignis der
Erzählung, das zwei entscheidende Handlungsbögen verbindet: Die Fragen nach dem
Ausgang der Wahl zur Promqueen und den Hintergründen der angedrohten Gewalttat.
Die ersten 15 Folgen der
ersten Staffel führen weitere genretypische Subplots ein. Dazu zählen das
Liebes- und Beziehungsmotiv oder – sehr zentral – das Motiv der Metamorphose. Die
Schülerin Sadie Simmons entspricht aufgrund ihres Interesses an Politik und ihres
alternativen Kleidungsstils nicht den Normvorstellungen von Peer-Groups wie
‚den Sportlern‘ oder ‚den Cheerleadern‘, die im sozialen Gefüge der Highschool
als besonders ‚hip‘ gelten. Am Ende der ersten Staffel erlangt sie aber
trotzdem die Anerkennung aller Mitschüler, indem sie sich in eine ‚Abendkleidprinzessin‘
verwandelt, die große Chancen hat, die Wahl zur Promqueen zu gewinnen.
Die Merkmale des
prototypischen Highschool-Films sind insgesamt so deutlich und zahlreich, dass
man Prom Queen (ganz ähnlich wie Riley Rewind) als
Netztransformation eines Highschool-Films einordnen kann. Die Typisierung der
Figuren und die unmittelbare Vertrautheit resultieren aus der Etikettierung der
Figuren mit typischen Eigenschaften aus Highschool- und Jugendfilmen. Durch
wenige Andeutungen kann so ein konventionelles Handlungsschema etabliert werden,
mit dem im Laufe des Plots gespielt wird (ausführlicher zu Genre-Referenzen in Prom Queen vgl. Kuhn 2014).
Die zweite Staffel spielt dann
nicht mehr im Handlungsraum der Highschool, sondern zeigt, wie verschiedene
Figuren aus der ersten Staffel auf einer Jahrgangsreise nach Südmexiko ihren
Abschluss feiern. Erneut bedient sich die Webserie bei Versatzstücken von Jugend-
und Highschool-Filmen wie z.B. Fast Times
und Spring Breakers, die gemeinsames Feiern
von Schülern und Studenten in den Mittelpunkt stellen. Dementsprechend vermittelt
die zweite Staffel wesentlich mehr explizite Inhalte, indem gezeigt wird, wie
die Jugendlichen Alkohol trinken, Drogen konsumieren oder erste sexuelle
Erfahrungen sammeln. Wie in der ersten Staffel kommt es erneut zum Einbruch von
Gewalt und krimineller Energie in die ‚heile Welt‘ der Teenager, als sich herausstellt,
dass ein Mörder unter den Reisenden ist. Im Mittelpunkt der dritten Staffel
steht dann wiederum Sadie, die bereits eine zentrale Rolle in der ersten
Staffel gespielt hat und nun an den Ort der Verbrechen zurückkehrt. Neben Elementen
des Coming-of-Age-Films werden in der dritten Staffel insbesondere Genre-Elemente
aus Detektiv-Filmen und -Serien eingesetzt.
Ästhetik
Die Ästhetik der Webserie
orientiert sich über weite Strecken an den Konventionen des amerikanischen Highschool-Films:
Dies wird im rasanten Schnitt, der Unterlegung mit atmosphärischer Popmusik und
nicht zuletzt im genretypischen Casting deutlich. Nahezu alle Darsteller
entsprechen einem normativen Schönheitsideal, zusätzlich wird auch der Kleidung
der Figuren ein großer Wert eingeräumt. Dies ergibt sich auch aus den Kooperationen mit den genannten Sponsoren aus
der Textilindustrie (siehe oben) sowie mit einem Online-Versandhandel namens
StarStyle.com, bei dem während der ersten Staffel über eingebettete
Werbeanzeigen von den Figuren getragene Kleidungsstücke direkt bestellt werden
konnten. Prom Queen bot somit eine fragwürdige
Art der Partizipation, indem Schauspieler gleichzeitig als Models
funktionalisiert wurden, die den Zuschauern ausgewählte Produkte vorführten und
so zum Kauf anreizen sollten.
Angaben
Staffeln:
3
Episoden:
80 (Prom Queen), 15 (Prom Queen:
Summer Heat),
22 (Prom Queen: Homecoming)
Episodenlänge: 1-1,5 Min.
Erscheinungsrhythmus: nicht
mehr genau zu recherchieren
Zuerst gezeigt auf: MySpace
Drehbuch: Doug Cheney,
Produktion:
Big Fantastic
Jahr:
2007
Genre:
Mystery, Teen-Pic
Abrufbar unter:
https://www.youtube.com/playlist?list=PLB9A49DF603AE11A3
(in Deutschland nicht verfügbar) (Zugriff: 19.01.2015)
Sonstige Quellen
Sekundärliteratur (Auswahl)
Markus Kuhn (2013): „Von einsamen Mädchen,
Prom-Queens und 'coolen Säuen'. Die Webserie als neue serielle audiovisuelle
Erzählform im Internet“, in: Kracke, Bernd/Ries, Marc (Hgg.), Expanded
Narration. Das neue Erzählen, Bielefeld: transcript 2013, S. 305-321. Englische
Übersetzung in dem gleichen Band: "Of Lonely Girls, Prom Queens, and Cool
Guys: Web Series as a New Audiovisual Form on the Internet", S. 287-303.
Markus Kuhn (2014): „Der
Einfluss medialer Rahmungen auf das Spiel mit Genrekonventionen. Die Webserie Prom
Queen als Transformation des Highschool-Films im Internet“, in: Henke,
Jennifer/Krakowski, Magdalena/Moldenhauer, Benjamin/Schmidt, Oliver
(Hgg.), Hollywood Reloaded. Genrewandel und Medienerfahrung nach der
Jahrtausendwende, Marburg: Schüren 2013, S. 192-217.
(Markus
Kuhn/Andreas Veits, 01.03.2016)
(Dieser
Blogeintrag basiert weitgehend auf wissenschaftlichen Arbeiten von Markus Kuhn, die unter
dem Punkt „Sekundärliteratur“ verzeichnet sind.)