Familie Braun

von Maria Malzew

Kai Braun und Thomas Stahl sind Neonazis, die gemeinsam in einer Plattenbauwohnung in Berlin leben und in ihrer Freizeit gern Hakenkreuze auf Windschutzscheiben sprühen, die Bevölkerung mit einem Hitlergruß provozieren und grundsätzlich sinnlos in der Gegend rumpöbeln. Eines Tages steht die dunkelhäutige sechsjährige Lara vor ihrer Tür. Im folgenden stellt sich nicht nur heraus, dass Kai Laras Vater ist, sondern soll der junge Neonazi fortan auch noch die Erziehung des Kindes übernehmen, weil Laras Mutter aus Deutschland abgeschoben wird.


Abbildung: Screenshot aus Familie Braun


Anmerkung

Diese Webserie – produziert fürs ZDF unter Mitarbeit von YouTube-Stars LeFloid, Doktor Froid und Space Frogs – feierte ihre Premiere im Kino Babylon und war kurz danach auf YouTube und in der ZDF-Mediathek frei verfügbar. Laut SPIEGEL wurde die erste Folge nach nur vier Tagen mehr als 30.000 Mal geklickt. Tatsächlich versucht das ZDF mit diesem Projekt die YouTube-Zielgruppe zu erreichen und setzt dabei auf hippe YouTube-Kreative und ihre Social-Media-Communities. Wie kaum bei einer anderen deutschen Webserie war daher auch das Interesse der Presse entsprechend groß. Die Pressestimmen sind dabei allerdings alles andere als positiv ausgefallen. So wird die Serie beispielsweise als „geschmackslos und realitätsfern“ (vgl. ZEIT ONLINE) beschrieben und die beiden Hauptfiguren – als „Witzfiguren (…), zumal man ihnen die rechtsradikale Mentalität keine Sekunde abnimmt“ (vgl. FAZ).

Hinter dieser Kritik steckt teilweise auch die Gretchenfrage, die sich bei einer derartigen Thematik fast automatisch stellt: Darf man sich über Nazis überhaupt lustig machen? Verharmlost die komödiantische Bearbeitung dabei nicht ein schwerwiegendes gesellschaftliches Problem? Zumindest die Presse scheint sich diesbezüglich weitgehend einig zu sein: Natürlich darf man das, aber dann muss es eben „originell und lustig sein“ (vgl. Stern). Tatsächlich beweisen gelungene Beispiele aus der Filmgeschichte wie etwa „The Great Dictator“ von Charlie Chaplin oder „To Be or Not To Be“ von Ernst Lubitsch, dass Ernsthaftigkeit, Humor und Sarkasmus sich bei der Beschäftigung mit dem Thema Rechtsradikalismus nicht ausschließen müssen. Zugegebenermaßen ist es alles andere als fair, eine Webserie wie „Familie Braun“ mit Meisterwerken der Filmgeschichte zu vergleichen. Amüsant ist die Serie dennoch, auch wenn sie insgesamt etwas vorhersehbar ist und die Figuren ihre nationalsozialistische Ideologie in der Tat nicht sehr überzeugend porträtieren. Einige kurze bemerkenswerte Szenen bietet die Serie trotzdem, beispielsweise wenn Laras Lehrer zur Besuch kommt und sich im Laufe der Folge als Neonazi entpuppt, der den Vater zu überzeugen versucht, dass Lara lieber eine andere Schule besuchen soll. Auch wenn diese Szene weder realitätsnah noch besonders raffiniert konzipiert ist, so werden die Zuschauer zumindest damit konfrontiert, wie einfach sich der ‚gutgemeinte‘ Rassismus in den Alltag schleichen kann.

Bei all der inhaltlichen Kritik an der Serie darf man jedoch nicht vergessen, dass „Familie Braun“ vor der Herausforderung steht, nicht nur innerhalb von etwa fünf Minuten pro Folge schnell und eindeutig die Handlung zu inszenieren, sondern vor allem das junge Publikum, die eindeutige Zielgruppe der Produzenten, zufriedenstellen muss. Formate wie die Webserie „Familie Braun“, die sowohl im Fernsehen als auch im Internet rezipiert werden, sind daher als Ausdehnung des klassischen Fernsehangebotes zu verstehen: Auch wenn erzählerisch noch einige Punkte hätten besser gelöst werden können, ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass das öffentlich rechtliche Fernsehen nicht nur neue mediale Formen aufgreift, sondern auch kontroverse Themen bearbeitet, die im Kontext von deutschen Webserien ansonsten eher selten vorkommen.



Angaben

Staffeln: 1
Episoden: 8
Episodenlänge: ca. 3-7 Minuten
Zuerst gezeigt auf: YouTube / ZDF.de
Produktion: Polyphon im Auftrag von ZDF Quantum/Das kleine Fernsehspiel
Jahr: 2016
Genre: Komödie 



Abrufbar unter: 


YouTube: Familie Braun

Sonstige Quellen

Frank, Arno (2016). „Papi ist Nazi - aber ein lieber.“ SPIEGEL Online. Kunert,
Heike (2016). „Familie Braun: Zu Hause bei der Führers.“ Zeit Online. 
Jungen, Oliver (2016). „ZDF-Serie „Famile Braun“: Zwei Dumpfbacken und ein Findelkind.“ FAZ. 
Denk, David (2016). „Familie Braun auf ZDF: Der Nazi und seine schwarze Tochter.“ Süddeutsche Zeitung 
Heidböhmer, Carsten (2016). „ZDF-Serie „Famile Braun“: Mein Papi, der liebe Nazi-“ Stern
(Zugriff: 09.05.2017) 


(Maria Malzew, 09.05.2017)