Die Rekruten [Reihe: Webserien der Bundeswehr, Teil 1]
von Martha-Lotta Körber //
Als Bestandteil einer umfangreichen Employer-Branding-Kampagne
ist Die Rekruten die erste von mittlerweile acht Webserien, die seit
2016 auf dem bundeswehreigenen YouTube-Kanal Bundeswehr Exclusive veröffentlicht wurden.
Die Dokuserie begleitet schwerpunktmäßig zwölf junge Rekrut*innen der
Marinetechnikschule Parow, Mecklenburg-Vorpommern, während ihrer zwölfwöchigen
Grundausbildung und suggeriert, einen realistischen ,Blick hinter die Kulissen‘
zu gewähren. Die Rekrut*innen selbst kommen hierbei als Protagonist*innen zu
Wort und erleben die Ausbildungsschritte als eine positive Herausforderung, die
es zu meistern gelte.
Dramaturgie und narrative Struktur
Die Rekruten erzählt in verdichteten Episoden von rund fünf Minuten die –
vermeintlich – täglichen Ereignisse der zwölfwöchigen Ausbildung, entlang der
zu bewältigenden Tagesordnungspunkte, die zugleich häufig als Episodentitel
fungieren: etwa „Der BASIS FITNESS TEST | Tag 06“ oder „Military
Fitness: TEAMBUILDING | TAG 22“. Damit gliedern sie die Webserie in aufeinander
aufbauende Lektionen im Rahmen der Grundausbildung und erinnern bisweilen an
das YouTube-Genre der Challenges. Vermittelt werde dabei zum einen „Basiswissen rund um die Bundeswehr, vor allem für Einsteiger und Bewerber“, die sich mit der
Webserie auf ihre eigene militärische Ausbildung vorbereiten wollen. Zum
anderen hat Die Rekruten unterhaltenden Charakter und soll merklich
Berührungsängste gegenüber der Bundeswehr abbauen. So stehen zwölf sympathische
Jugendliche und junge Erwachsene im Zentrum der Dokuserie, von denen in jeder
Folge einige herumalbern und ihre Erwartungen, Eindrücke und Gefühle gegenüber
dem anwesenden Kamerateam schildern. In zwischengeschnittenen Sequenzen
erfolgen Perspektivwechsel, in denen die Ausbilder die Leistungen der
Rekrut*innen einschätzen, manchmal (nahbar) scherzen oder sich genervt geben.
Am Ende vieler Folgen und nach bestandener Tagesaufgabe ziehen die Rekrut*innen
– unter Verwendung eines Selfiesticks – ein Resümee, teasern die kommende
Episode an und werben um Follower für die Bundeswehr-Exclusive-Kanäle
in Sozialen Netzwerken (vgl. Übersicht unten).
Abbildungen: Screenshots aus Die Rekruten. |
Ästhetik
Die Rekruten kennzeichnet eine Mischung aus a) einem für Soziale Medien
typischen dokumentarischen Gestus der personalisierten ,Authentizität‘, b) Mitteln
der Reportage und c) ironisierenden Stilmitteln, die wie aus dem Reality-TV des
Privatfernsehens adaptiert wirken. Immer wieder kommt dabei auch dramatische extradiegetische
Musik zum Einsatz, die Genrefilmästhetiken entlehnt zu sein scheint.
Gefilmt werden die Rekrut*innen häufig mit einem Nähe und
Unprofessionalität suggerierenden Fischaugenobjektiv, das diese auch und
insbesondere in vermeintlich privaten, ungezwungen wirkenden Situationen – etwa
derangiert beim ungewohnt frühen Aufstehen – einfängt. Das Kamerateam selbst
bleibt stets unsichtbar, sodass streckenweise der Eindruck entsteht, die
Rekrut*innen filmten sich permanent selbst. Mitunter sprechen sie die
Zuschauer*innen direkt an, innerhalb eines für Privataufnahmen, Homevideos und
YouTube-Inhalte bezeichnenden Bruchs mit der Vierten Wand. Insbesondere in den
Outros verdichtet sich dieses Stilmittel, indem die Zuschauer*innen mit betont
saloppen Phrasen wie „haut rein“ oder „immer schön liken, liken, liken“
humorvoll von den Rekrut*innen verabschiedet werden. Gewissermaßen handelt es
sich hierbei um eine konsequente Weiterentwicklung dessen, was der Linguist
Friedemann Vogel bereits 2014 anhand der damaligen – im Vergleich zu den
heutigen Werbekampagnen beinahe antiquiert wirkenden – Homepage der Bundeswehr
herausstellte: eine auffällige Verwendung „zahlreicher Ausdrücke aus der
informellen Umgangs-, Jugend-, Medien- und Werbe-Sprache“, gepaart mit
informeller Anrede (Vogel 2014, 199). Mit dem entscheidenden Unterschied, dass die angehenden
Gefreiten in Die Rekruten – bewusst oder unbewusst – gleich selbst die
Ansprache und Anwerbung von neuen Bewerber*innen übernehmen.
Durch auffällige Stilmittel der Postproduktion, die das
bierernste Image des Militärs mitunter konterkarieren oder aber mit ,Action‘
aufwerten, wird mit der dokumentarischen Ästhetik gebrochen. Insbesondere von
den Rekrut*innen begangene ,Fehler‘ oder aber
das Scheitern an bestimmten Aufgabenstellungen werden von humoristischen
Einschüben – wie auffallend ironisierender Musik oder Klatschgeräuschen – begleitet. In Szenen, die besondere
Belastungen zeigen, bedient sich die Webserie hingegen häufig dramatisch
wirkendener und von Trommelgeräuschen dominierter Musik, welche die
dargestellten (wenn auch nur erprobten) Extremsituationen erheblich ästhetisiert
und diese streckenweise in die Nähe von Action- und Kriegsfilmen rückt. Die
Überblendungen von Szene zu Szene erfolgen durchweg in einem von der
ausführenden Marketingagentur Castenow entwickelten corporate design
(ein an Flecktarn erinnerndes abstraktes Polygonmuster), das in beinahe allen
digitalen und analogen Werbematerialien von Bundeswehr Exclusive
aufgegriffen wird.
Produktion
Die
Produktionskosten von Die Rekruten beliefen sich laut Angaben der
Bundeswehr auf rund 1,7 Mio. Euro. Begleitet wurde die Webserie von einer
umfangreichen zielgruppenspezifischen Werbekampagne in Bushaltestellen, auf
Lieferservice-Pizzakartons oder im Netz für zusätzliche 6,2 Mio. Euro (vgl. u.
A. DLF, 03.11.2016). Über die Produzent*innen, Autor*innen oder
Regie wollte Bundeswehr Exclusive auf Anfrage keine genauen Auskünfte
geben und verwies lediglich auf die Zusammenarbeit mit der Düsseldorfer
Werbeagentur Castenow.
Abbildung: Screenshot vom Instagram-Kanal bundeswehrexclusive. |
Kontext und Rahmung: Bundeswehr Exclusive als
Arbeitgeberimagekampagne
Die Webserie Die Rekruten sowie der rahmende
YouTube-Kanal Bundeswehr Exclusive sind im Kontext einer breit
angelegten Marketingoffensive der Bundeswehr zu verstehen, die mittlerweile
bereits ein knappes Jahrzehnt zurückreicht. Diese solle nach Aussagen der
Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums dazu dienen, den Nachwuchs
anzuwerben, der nach Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht 2011 zunächst
ausgeblieben war. In Folge dessen müsse die Bundeswehr mit Unternehmen der
freien Wirtschaft um Fachkräfte konkurrieren und sich als attraktiver
Arbeitgeber in Position bringen. Als „eine notwendige Konsequenz“ habe die
Bundeswehr ihr Budget für Personalwerbung, ausgehend von 16 Mio. Euro (2011),
mehr als verdoppelt (Deutscher Bundestag, Drucksache 19/21557).
Bist du eher „Berg- oder Beach-Typ?“ fragte bereits 2012
eine – inzwischen nicht mehr abrufbare – erste Werbekampagne für sogenannte
kostenlose „Adventurecamps“ in der Online- und Printausgabe der BRAVO. Sie
lenkte viel öffentliche Aufmerksamkeit auf die Bundeswehr, die sich mit der Aktion
um jungen Nachwuchs bemühte und für diese gezielte Adressierung Minderjähriger
viel Kritik erntete. „Diese irreführende Reklame in Jugendmedien verletzt die
Prinzipien der Uno-Kinderrechtskonvention und die besonderen Schutzpflichten
des Staates gegenüber Kindern", äußerte sich damals etwa Ralf Willinger,
Kinderrechtsexperte bei Terre des Hommes (bei SPIEGEL ONLINE).
Seit nunmehr fünf Jahren arbeitet die Bundeswehr mit der
Werbeagentur Castenow zusammen – augenscheinlich deutlich erfolgreicher
als mit BRAVO –, die neben der Arbeit für die Bundeswehr schwerpunktmäßig
sogenanntes Employer Branding für diverse deutsche Firmen betreibt, etwa
in Form einer den Bundeswehr-Exclusive-Produktionen nicht unähnlichen
Webserien-Kampagne für das Kreuzfahrtunternehmen Aida mit dem Titel The Crew. Laut Selbstdarstellung entwickelt die
Werbeagentur dabei „sinnstiftende Positionierungen und bewegende Kampagnen“, um das Arbeitgeberimage zu verbessern.
Spezialisiert wird sich insbesondere auf onlinebasierte Medien, in denen
vermeintlich ,echte Geschichten‘ von echten Angestellten der Unternehmen
,erzählt‘ werden, so auch in den Produktionen unter der eigens dafür ins Leben
gerufenen Arbeitgebermarke Bundeswehr Exclusive. Castenow
entwickelte ab 2015 eine umfassende „Arbeitgeberkampagne Bundeswehr“,
angefangen mit einer Werbeaktion unter dem Slogan „Mach, was wirklich
zählt“.
Abbildungen: Werbekampagne „Mach, was wirklich zählt“ (2015). |
Für diese entwarf das Unternehmen das corporate design in abstrakter Flecktarn-Optik (laut Werbeagentur: „Key Visuals im Polygon-Design“), das bis heute die digitalen und
analogen Kampagnenformate durchzieht.
Im
Anschluss an diese zweite Werbeoffensive und mit Beginn des Jahres 2016
eröffnete Bundeswehr Exclusive gleich mehrere Kanäle in Sozialen Medien
und bespielt diese seitdem mit vermeintlich authentischen persönlichen
Erfahrungen von sympathisch auftretenden Mitgliedern der Bundeswehr. Die Erfahrungsberichte werden als ‚einfache‘ Posts oder eben in aufwendigen Webserien vermarktet, die
mitunter wechselseitig aufeinander verweisen. Mittels Personalisierung und
Individualisierung wird so eine Strategie verfolgt, die zum einen die
transmediale Einbettung der Webserie stärkt, indem etwa die Protagonist*innen
der Webserien Profile in unterschiedlichen Sozialen Medien bekommen und zum
anderen bewusst gegen die heute eher unpopulären Konnotationen der Bundeswehr
mit Hierarchie, Uniformität und Ent-Individualisierung ‚anarbeitet‘.
Auf der
korrespondierenden Landingpage bundeswehrkarriere.de verbinden sich Webserie und Berufsinformation (im Bereich
„Karriereseite“) unmittelbar. Hier posieren die Protagonist*innen aus Die
Rekruten in Ganzkörperansicht und Uniform neben einer Art Kurzsteckbrief,
was Assoziationen zur Menü-Ästhetik in Videogames weckt. Diese Analogie haben Werbekampagnen
der Bundeswehr bereits vorher bedient, so bereits mit der umstrittenen
Plakataktion anlässlich der Videospielmesse Gamescom 2018 unter den Slogans „Multiplayer at its best!“ und „Mehr Open World geht nicht!“.
Abbildung: Screenshot der Homepage bundeswehrkarriere.de. |
2019 betrugen die
Ausgaben der Bundeswehr für Nachwuchswerbung rund 34 Mio. Euro, wie die
Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage schriftlich zu Protokoll gab
(Deutscher Bundestag, Drucksache 19/21557). Anhand der
Drucksachen des Bundestages lässt sich ebenfalls nachvollziehen, dass die
Bundeswehr ab einschließlich 2017 keinerlei Gelder mehr in TV-Werbung
investiert hat, hingegen aber jährlich bis zu 11,4 Mio. Euro ins
Onlinemarketing flossen. Aus diesem deutlich angewachsenen Finanzposten werden
unter anderem die Produktion von und die Werbung für Webserien – wie Die
Rekruten (2016) oder Mali – Folge uns in den Einsatz (2017) –
finanziert, in denen ausgewählte (angehende) Soldat*innen ,hautnah‘ von ihrer
Ausbildung oder aus laufenden Einsätzen berichten. Adressiert wird eine junge
Zielgruppe im Alter von 17 bis 25, von der angenommen wird, dass diese in
besonderem Maße auf der Suche nach Selbstverwirklichung und Abenteuern sei und
über Soziale Medien angesprochen werden könne. In Aussicht gestellt werden (von
Beginn der Plakatkampagne „Mach, was wirklich zählt“ bis zur jüngsten Webserie)
außerdem Prinzipien und Werte wie Leistungsbereitschaft, Karriereorientierung,
Teamgeist, Fitness und technische Expertise.
Rezeption
Die Meinungen
darüber, ob Die Rekruten nun ein realistisches oder aber in
unangemessener Weise glorifizierendes Bild des Soldatenberufs zeichnet, gehen
auseinander, und in der Tat ist die Webserie hier ambivalent. Die Bundeswehr
selbst und die begeisterte Werbebranche wurden nicht müde, die ‚mutige
Authentizität‘ der Webserien-Realitysoap zu betonen (vgl. Marken-Award 2020; Dirk von Holleben im Gespräch mit AbsatzWirtschaft). So sind mitunter überforderte, müde oder
überanstrengte Rekrut*innen zu sehen, auch mal mit Magen-Darm-Infekt. Außerdem
bietet die Webserie einen gewissen Grad an Transparenz und Einsicht in ein Feld,
das vielen Zuschauer*innen wohl anderenfalls verschlossen bliebe, womit ein
langjähriges Grundsatzproblem im Verhältnis von Gesellschaft und Bundeswehr in
Deutschland angesprochen ist. Denn „da, wo die Bundeswehr aus dem öffentlichen
Raum hinter die Kasernenmauern verdrängt werden soll“ – nach dem Motto ,aus den
Augen, aus dem Sinn‘ – kann sie auch dem Anliegen einer „Parlamentsarmee und
Staatsbürger[n] in Uniform“ und somit der Integration in eine demokratische
Gesellschaft nur schwer gerecht werden (Nachtwei 2011, 58).
Die Bundeswehr
räumt aber auch ein, dass sie in der Grundausbildung seit Jahren mit einer
Abbrecherquote von rund einem Viertel der Rekrut*innen zu kämpfen habe. Weder
die Tatsache an sich, noch die Motive der Abbrecher*innen werden in der
Webserie abgebildet. Unterm Strich handelt es sich bei Die Rekruten um
Werbung: Ernsthafte Auseinandersetzungen mit der schwierigen Rolle der
Bundeswehr in Deutschland, geschweige denn Zweifel oder Kritik am Status Quo
militärischer Strukturen oder Ausbildungsmethoden werden an keiner Stelle
artikuliert. Ob solche Aussagen gefilmt, aber im Zuge der Produktion zu
Ausschuss erklärt wurden, ist unklar. Lediglich einer der zwölf in den Fokus
gerückten Rekrut*innen verlässt die Grundausbildung, jedoch unter Angabe von
privaten familiären Gründen und äußert ausdrücklich sein Bedauern darüber. Die
dominierende Botschaft der Webserie ist vielmehr das betont gute Gefühl, die
Anforderungen erfüllt, Herausforderungen gemeistert und besonders intensive
Erfahrungen gesammelt zu haben.
Ein Fazit zum
Erfolg von Die Rekruten – sowie von allen Webserien-Kampagnen der
Bundeswehr – muss also differenziert ausfallen. In der Werbebranche wurde die
neue Marketingstrategie gleich mit mehreren Auszeichnungen bedacht, wie etwa
dem Deutschen Digital Award in der Kategorie „Branded Content – Video-long-form“ oder dem Markenaward
2020 für die „beste digitale Markenführung“, welcher der „innovativen Content-Offensive“ unter der
Dachmarke Bundeswehr Exclusive in Gänze verliehen wurde.
Die
bundeswehreigene Zeitschrift Im Visier sowie die Bundesregierung selbst gaben Auskunft darüber, dass Die
Rekruten sowohl auf YouTube erfolgreich war – im Sinne von reichweitenstark
– als auch zur vermehrten Nachfrage von den Online-Berufsinformationsangeboten
(etwa über die eigens eingerichteten Chatbots oder bundeswehrkarriere.de)
und Bewerbungen führte: „Im Rahmen der Analyse zur Nachwirkung der Webserie
‚Die Rekruten‘, die von November 2016 bis Ende Januar 2017 ausgestrahlt wurde,
wurden ca. 20 Prozent mehr FWDL (Freiwilligen Wehrdienstleistende) eingestellt“
(Deutscher Bundestag, Drucksache 19/2194). Die Rekruten ist somit ein Beispiel
für das erhebliche Interesse an Webserien in Marketingzusammenhängen, da unter
Labels wie Branded Content kommerzielle Interessen mit Mitteln des (hier
audiovisuellen) Storytellings tendenziell verschleiert werden (ein
Trend, der in der Werbung im Allgemeinen zu beobachten ist).
Bei
Die Rekruten handelt es sich dabei um einen Spezialfall, immerhin haben
wir es hier mit einer Webserie zutun, die aus dem Bundeshaushalt finanziert
wird und somit Gegenstand politischer Auseinandersetzungen ist. Im Bundestag
äußert insbesondere die Fraktion DIE LINKE Kritik. So stellen Webserien
wie Die Rekruten in „teilweise emotionalisierter Weise einseitig ,Fun‘,
,Action‘ und den ,Arbeitsplatz‘ Bundeswehr in den Vordergrund, ohne das Risiko,
dabei töten zu müssen, zu sterben oder schwer verletzt zu werden, ausreichend
darzustellen“ (Anfrage an die Bundesregierung, Drucksache 19/21557). Die Kampagnen von Bundeswehr Exclusive seien merklich
dafür konzipiert, die Zielgruppe nicht abzuschrecken, und unterstützen eine
Militarisierung der Gesellschaft (ebd.).
Eine vielfach
artikulierte Kritik ist in diesem Zusammenhang außerdem der Zuschnitt der seit
2012 laufenden Werbeoffensive auf eine teils minderjährige Zielgruppe, die nach
Einschätzung der UN gar nicht erst adressiert werden sollte. Stattdessen fordert der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes ein Mindestalter von 18 Jahren bei der Rekrutierung und ein
entsprechendes Verbot der auf Jugendliche abzielenden Werbeofferten.
Auch die seitens
der Bundesregierung vorgenommene Unterscheidung zwischen ,sachlicher‘
Informationsarbeit der Bundeswehr auf der einen und Werbearbeit auf der anderen
Seite – letztere ist darauf angewiesen, die Bundeswehr als attraktiven
Arbeitgeber zu inszenieren – kann mutmaßlich in der Rezeptionspraxis von Zuschauer*innen
so nicht aufrecht erhalten werden. Diese theoretische Differenzierung steht im
offensichtlichen Widerspruch zu einer Werbekampagne, die sich explizit nicht
als solche zu erkennen geben will (unabhängige wissenschaftliche Analysen
lassen hier jedoch noch auf sich warten). So könnte Bundeswehr Exclusive
als eine Imagekampagne für die Bundeswehr generell wirken, die Fragen der
Legitimität gar nicht erst aufkommen lässt, die Bundeswehr lediglich aus einer
personalisierten Innensicht behandelt und letztlich entpolitisiert. Der Einsatz
in Mali oder aber das mit diversen Skandalen im Zusammenhang mit Verfassungsfeindlichkeit aufgefallene Sondereinsatzkommando KSK – gleich beide
sind Gegenstand eigener Webserien – stehen gegenwärtig immerhin auch erheblich
in der Kritik. In Bezug auf das KSK diagnostizierte die
Verteidigungsministerien erst kürzlich öffentlichkeitswirksam eine in Teilen „toxische Führungskultur“ und sogar der
Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte selbst – Brigadegeneral Markus Kreitmayr
– fordert eine „Erneuerung von Innen“. Der Einsatz in
Mali wird von einigen fachkundigen Journalist*innen wie Charlotte Wiedemann
seit Längerem (bereits vor dem jüngsten Militärputschversuch im August)
deutlich kritisiert, habe er doch für die Malische Bevölkerung bisher nicht
mehr, sondern weniger Sicherheit gebracht (vgl. Wiedemann 2018).
Fazit
Egal ob als
PR-Coup gefeiert oder als politisch unangemessen kritisiert, zeigt Die
Rekruten wie wirksam Webserien als relativ neue Form audiovisuellen
Erzählens sein können, insbesondere, wenn sie (scheinbar) authentische
Ereignisdarstellung narrativieren. Die Rekruten signalisiert
einerseits eine dokumentarische Faktualität, erzählt aber andererseits
innerhalb der konstitutiv kurzweiligen und ereignisverdichtenden Form der
Webserie, die auf YouTube niederschwellig zugänglich und (durch die
Autoplay-Funktion) schnell konsumierbar wird. Ästhetische Mittel wie ein
emotionalisierender Musikeinsatz und ironisierende Soundeffekte tragen zur
Unterhaltsamkeit bei, sodass Die Rekruten als eine faktuale Webserie
auch deutliche Momente der Stilisierung aufweist, die sie in Nähe eines
fiktionalen Genres rücken.
Angaben
Staffeln: 1
Episoden: 62 (+ „Homestories“ u. „Wiedersehen“)
Episoden: 62 (+ „Homestories“ u. „Wiedersehen“)
Episodenlänge: ca. 5-6 Min. (in Ausnahmefällen ca. 10 Min.)
Erscheinungsrhythmus: täglich
Zuerst gezeigt auf: YouTube
Regie: Bundeswehr/Castenow GmbH*
Erscheinungsrhythmus: täglich
Zuerst gezeigt auf: YouTube
Regie: Bundeswehr/Castenow GmbH*
Produktion: Bundeswehr/Castenow GmbH*
Autor*innen: Bundeswehr/Castenow GmbH*
*(Nähere
Auskünfte wurden auf eine explizite Anfrage nicht gegeben)
Produktionsland: Deutschland
Jahr: 2016
Sprache: deutsch
Genre: Realitysoap/Dokuserie/Werbung
Verfügbar unter:
Übersicht weiterer Webserien von Bundeswehr Exclusive (nach
Erscheinungsdatum):
Mali – Folge uns in den Einsatz, 2017 [Webserie, YouTube], URL: https://www.youtube.com/playlist?list=PL0nyHde37tIZGqcsRjKLc0WkPwIQZdT4T (Zugriff: 19.08.2020).
BIWAK – Vier Tage in Eis und Schnee, 2018 [Webserie, YouTube], URL: https://www.youtube.com/playlist?list=PL0nyHde37tIZ_Mbg5IgMFcHZhdt7cCvS7 (Zugriff: 20.08.2020).
Die Springer – Mach den Sprung deines Lebens, 2018 [Webserie, YouTube], URL: https://www.youtube.com/playlist?list=PL0nyHde37tIZKnd791pZiGcFndU39nGzh (Zugriff: 19.08.2020).
Unbesiegt – Die Kraft der Invictus Games, 2018 [Webserie, YouTube], URL: https://www.youtube.com/playlist?list=PL0nyHde37tIaXRsmt2FmcgRgZkXIeIeC9 (Zugriff: 20.08.2020).
KSK – Kämpfe nie für dich allein, 2018 [Webserie, YouTube], URL: https://www.youtube.com/playlist?list=PL0nyHde37tIb4uJTpTTDZ6QEumRgqJxMR (Zugriff: 19.08.2020).
Survival – 7 Offiziere. Eine Mission, 2019 [Webserie, YouTube], URL: https://www.youtube.com/playlist?list=PL0nyHde37tIZbjqxMrL87J2Y6d3vjtRmA (Zugriff: 20.08.2020).
Die Rekrutinnen – Folge uns in die Grundausbildung, 2019 [Webserie, YouTube], URL: https://www.youtube.com/playlist?list=PL0nyHde37tIY-EllG_FzO8WIbxEskWKnH (Zugriff: 19.08.2020).
Übersicht der Präsenz in Sozialen Medien (Auswahl):
Facebook-Seite Bundeswehr Exclusive (seit 2016), URL: https://www.facebook.com/BundeswehrExclusive/ (Zugriff: 19.08.2020).
Instagram-Seite (bundeswehrexclusive), URL: https://www.instagram.com/bundeswehrexclusive/ (Zugriff: 19.08.2020).
(Online-)Zeitschrift Im Visier (seit 2016), URL: https://www.bmvg.de/de/themen/personal/im-visier (Zugriff: 19.08.2020).
Podcast (Funkkreis. Der Podcast der Bundeswehr), URL: https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/meldungen/funkkreis-podcast-bundeswehr (Zugriff: 19.08.2020).
Spotify (Playlists zu den Webserien), URL: https://open.spotify.com/artist/1itbdr2aLs6kQBi95jMgNn?si=mqQiqAbaQRC9ezdQoy6yhw (Zugriff: 19.08.2020).
YouTube-Kanal Bundeswehr Exclusive (seit 2016); URL: https://www.youtube.com/channel/UCZPAni75bkLnjGO8yhuJpdw (Zugriff: 19.08.2020).
Forschungsliteratur
Vogel, Friedemann (2014): Die Zukunft im Visier. Die mediale
Selbstinszenierung der Bundeswehr gegenüber Jugendlichen aus der Perspektive
engagierter Diskurslinguistik. In: M&K. Medien &
Kommunikationswissenschaft (Jg. 62, Heft 2), S. 190–215.
Sonstige Quellen
BMVg:
Presseterminhinweis (24.09.2019), URL: https://www.bmvg.de/resource/blob/113220/fc3032cf72579a7272e8f3efc109141b/20190924-download-neue-youtube-serie-die-rekruitinnen-sneak-preview-data.pdf (Zugriff: 09.09.2020).
Castenow („Agentur für Markenkommunikation“), URL: https://www.castenow.de/cases/ (Zugriff: 19.08.2020).
Deutscher Bundestag (17.05.2018), Drucksache 19/2194, URL: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/021/1902194.pdf (Zugriff: 23.08.2020).
Deutscher Bundestag (10.08.2020), Drucksache 19/21557, URL: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/215/1921557.pdf (Zugriff: 19.08.2020).
Deutsches Bündnis Kindersoldaten (Mai 2017): Minderjährige und
Bundeswehr. Fakten, Risiken, Hintergründe, URL: https://www.tdh.de/fileadmin/user_upload/inhalte/04_Was_wir_tun/Themen/Weitere_Themen/Bundeswehr/Hintergrundpapier_Minderjaehrige_und_Bundeswehr_DtBuendnisKindersoldaten_Mai17.pdf (Zugriff: 23.08.2020).
Dirk von Holleben im Interview mit dem Magazin AbsatzWirtschaft (20.07.2020):
Bundeswehr-Marketing: “Das war für uns ein großes Experiment”, URL: https://www.absatzwirtschaft.de/bundeswehr-marketing-das-war-fuer-uns-ein-grosses-experiment-172875/ (Zugriff: 21.08.2020).
DLF Beitrag (03.11.2016): Bundeswehr-Serie „Die
Rekruten“. Der Wehrdienst als Spielfilm, URL: https://www.deutschlandfunk.de/bundeswehr-serie-die-rekruten-der-wehrdienst-als-spielfilm.1773.de.html?dram:article_id=370284 (Zugriff: 20.08.2020).
Käppner,
Joachim/Szymanski, Mike (30.06.2020): Kramp-Karrenbauer will KSK reformieren
und in Teilen auflösen, Süddeutsche Zeitung, URL: https://www.sueddeutsche.de/politik/kramp-karrenbauer-ksk-reform-1.4952789 (Zugriff: 09.09.2020).
Meldungen (bundeswehr.de): Erneuerung des KSK Kommando
Spezialkräfte: „Haltung und Wille entscheiden“, URL: https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/meldungen/erneuerung-ksk-handlung-und-wille-entscheiden-1246026 (Zugriff: 09.09.2020).
Nachtwei, Winfried
(2011): Die neue Bundeswehr. Freiwillig und kriegerisch? Blätter für
deutsche und internationale Politik, 1/2011, S. 57–65.
Wiedemann, Charlotte (2018): Mali am Abgrund. Fünf
Jahre Militärintervention. Blätter für deutsche und internationale Politik, 5/2018, S. 64–70.
(Martha-Lotta Körber, 10.09.2020)