Druck (aktualisiert, inkl. Staffel 5 und 6)
von Moritz Stock //
Bei Druck handelt es sich um die deutsche Adaption der norwegischen Web- und Fernsehserie Skam (NO 2015–2017, NRK). Im Mittelpunkt steht eine Berliner Freundesclique, welche sich kurz vor Ende der Schulzeit mit verschiedenen romantischen Verwicklungen, aber auch der individuellen Zukunftsplanung auseinandersetzen muss. Druck kommt bisher auf sechs Staffeln. Die ersten vier orientieren sich am Handlungsverlauf von Skam, ab der fünften Staffel wurde eine neue Generation an Figuren eingeführt.
Genre
Druck knüpft an Konventionen des Coming-of-Age-Genres
an. So stehen auch in der deutschen Adaption die erste große Liebe, damit
verbundene Hoffnungen und Zweifel, sexuelles Erwachen, die Auflehnung gegen
elterliche Autoritäten und die adoleszente Identitätssuche im Vordergrund (vgl.
Wegener 2011, 129 und Krauß/Stock 2020). Hanna, auf deren Sichtweise und
Handlungsmotivation sich die erste Staffel konzentriert, stellt eine für das
Genre typische, sinnsuchende Figur dar: Sie hinterfragt sich selbst und ihr
Verhältnis zu anderen, sucht einen ihr Sicherheit versprechenden Platz in der Welt
und macht im Laufe der Rahmenhandlung der ersten Staffel eine signifikante
Entwicklung durch. Auf dieser Reise zur Selbsterkenntnis problematisiert sie
ihre erste ernsthafte romantische Paarbeziehung, lernt, wem sie auf
freundschaftlicher Ebene vertrauen kann und was sie als Person ausmacht.
Speziell bei Hannas ersten partnerschaftlichen Erfahrungen verzichtet die Serie
auf eine romantisch-verklärende Inszenierung.
Auch in der zweiten Staffel wird auf eine vertraute, genretypische Figurenkonstellation gesetzt: Hier findet eine romantische Annäherung zwischen dem wohlhabenden, zunächst arrogant und überheblich wirkenden Schönling Alexander Hardenberg und der politisch-progressiv gezeichneten Mia Winter statt. Trotz augenscheinlicher Gegensätze entwickelt sich langsam eine konfliktbehaftete Liebesgeschichte. Die Diversitätsbestrebungen der Serie zeigen sich am deutlichsten in der dritten Staffel, in welcher sich der von einer religiösen Mutter erzogene Matteo in den transsexuellen David verliebt. Hier unterschiedet sich die deutsche Adaption am deutlichsten von der Originalserie, in der es keinen transsexuellen Charakter gibt. In der vierten Staffel steht schließlich die Muslima Amira im Zentrum. Mit ihr wird das Thema religiöse Identität, aber auch Alltagsrassismus in den Vordergrund gerückt.
Nach dem die Hauptfiguren der ersten vier Staffeln die Schule beendet
haben, geht es ab der fünften Staffel um eine neue Generation von
Schüler*innen. Im Mittelpunkt der fünften Staffel steht die kleine Schwester
von Kiki, welche mit ihrer alkoholkranken Mutter zusammenlebt. Im Verlauf der
Staffel stellt sich heraus, dass Nora unter einer psychischen Erkrankung
leidet. Die Serie ist hier wieder sehr nah an ihrer Hauptfigur, indem ihre
Weltwahrnehmung auditiv und visuell demonstriert, und so nach und nach das
Krankheitsbild einer dissoziativen Störung herausgearbeitet wird. Dies hat auch
Auswirkungen auf ihr soziales Umfeld und die sich entwickelnde romantische
Beziehung zu ihrem Mitschüler Josh. In dieser Staffel wird erzählt, wie das
Erwachsenwerden durch eine psychische Krankheit erschwert wird und wie
es sich anfühlt mit einer psychischen Krankheit zu leben. Die letzten Folgen
der Staffel handeln von therapeutischen Interventionen und dem Mut sich seinem
sozialen Umfeld anzuvertrauen und professionelle Hilfe zu
suchen. Die sechste Staffel fokussiert sich auf Noras Freundin
Fatou. Diese verliebt sich in ihre Mitschülerin Kieu My, welche aber Teil einer
rivalisierenden Clique ist. Darüber hinaus arbeitet Fatou in einer Handlung für
Wassertiere und hat mit schulischen Problemen zu kämpfen. Im Verlauf der
sechsten Staffel stellt sich heraus, dass sie unter einer Rechenstörung
(Dyskalkulie) leidet, welche einen starken Einfluss auf ihre schulische
Leistungsfähigkeit hat. Über die sich anbahnende Liebesgesichte zwischen Fatou,
deren Eltern aus Gambia stammen und Kieu My, deren Eltern aus Vietnam nach
Deutschland gekommen sind, wird auch der Erfahrungswelt einer zweiten
Generation von Migrant*innen Raum gegeben. Dabei wird wie in der dritten
Staffel erneut eine queere Liebesgeschichte erzählt. In jeder Staffel
werden also für Jugendliche potentiell relevante Themen über individuelle
Konflikte der jeweiligen Hauptfigur verhandelt, insbesondere entlang von
Freundschaftsbeziehungen und romantischen Konstellationen.
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Abbildung: Screenshot aus Druck. |
Verknüpft mit dieser staffelinternen Zentrierung auf eine Hauptfigur, liegt der
primäre Fokus in Druck ganz grundsätzlich auf der
Sichtbarmachung von universellen, mit dem Heranwachsen
verbundenen Krisenmomenten und Gefühlszuständen. Sie werden
alltagsnah und ohne große dramaturgische Überhöhungen geschildert. Während
aktuell populäre US-amerikanische Jugendserien wie 13 Reasons Why (Tote
Mädchen lügen nicht, USA 2017–2020, Netflix) oder Riverdale (USA
2017–, The CW) sowie auch die bisher bekannteste Funk-Produktion Wishlist (D 2016–2018, Funk) das
Erwachsenwerden als bedrohlichen Ausnahmezustand inszenieren und
Coming-of-Age-Narrative mit Erzählkonventionen des Horror-, Crime-, oder
Thriller-Genres verbinden, setzt Druck weniger auf
Dramatisierungen und Grenzüberschreitungen. Auch bei der Thematisierung
von psychischen Erkrankungen, familiären Suchtdynamiken und Lernschwächen
wird eine ruhige und reflektierte Tonalität gewählt. Dadurch erzeugt
die Serie eine unmittelbare Nahbarkeit.
Innovativ ist Druck vor allem in der Darstellung und
narrativen Integration von digitalen Kommunikationsmedien. Die Figuren stehen
untereinander über Messenger-Dienste ständig in Kontakt, planen darüber
Freizeitaktivitäten, suchen im Internet nach Hilfestellungen für alltägliche
Probleme und lassen sich von populären Kampagnen wie #MeToo inspirieren. Druck ist
damit Teil einer Reihe aktueller Jugendserien [z. B. auch American Vandal (USA
2017–2018, Netflix) und How to Sell Drugs Online (Fast) (D
2019–, Netflix)], welche versuchen filmische Ausdrucksformen für die
Mediatisierung jugendlicher Lebenswelten zu finden.
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Abbildung: Screenshot aus Druck. |
Dramaturgie und Ästhetik
Dramaturgisch verfolgt Druck einen unaufgeregten, auf das
Innenleben der Protagonist*innen und deren kleinen
alltäglichen Krisen konzentrierten Ansatz. Geradlinig-horizontal wird eine
übersichtliche Anzahl von Handlungssträngen miteinander verknüpft, die sich
jeweils innerhalb einer begrenzten Menge von sozialen Settings (wie der Schule,
dem Jugendzimmer oder variierenden Partys) ereignen.
In jeder der sechs Staffeln liegt der erzählerische Fokus auf der
Entwicklung einer Figur. Beiläufig wird in der Mise
en Scène auch das erweiterte Figurenensemble weiterhin
eingebunden. Da Matteo und Mia zusammen in einer Wohngemeinschaft leben,
kann beispielsweise das romantische Drama zwischen Mia und Alexander in der
dritten Staffel im Hintergrund fortgeführt werden. In der sechsten Staffel
etwa zieht Nora zusammen mit ihrer Schwester Zoe und ihrer Freundin Ava in die
ehemalige Wohnung von Kiki. Hier laufen verschiedene Handlungsstränge zusammen
und trotz der Fokussierung auf Fatou, kann Noras Geschichte ebenfalls beiläufig
weitererzählt werden.
In allen sechs Staffeln ist die fiktionale Alltagswelt der Jugendlichen
hochgradig mediatisiert: Eine Interaktion mittels Online-Medien und eine von
Angesicht zu Angesicht überlappen einander. Die Serie greift diese
Kommunikation mittels Sozialer Medien und dem Smartphone in ihrer Ästhetik auf,
das Filmen von sich selbst und anderen mit dem Handy ist ein
selbstverständlicher Teil des Alltags der Protagonist*innen. Einzelne
Einstellungen suggerieren durch intradiegetische Handykameras entstanden zu
sein. Immer wieder sind eingeblendete Textnachrichten zu lesen, die Emotionen
verbalisieren, aber auch interpersonale Konflikte offenlegen.
Die Bildsprache wurde für die Rezeption am Smartphone entwickelt. So werden
die Hauptfiguren häufig in Nahaufnahmen gezeigt, der Fokus liegt hier auf den
situativen Empfindungen. Sehr stark wird in der Serie auf eine Ästhetik
alltäglicher adoleszenter Existenz gesetzt: In einzelnen Szenen werden immer
wieder kleine Alltagsmomente, wie das Sitzen am Schreibtisch, das Umherwandern
im Zimmer oder das Hören von Musik gezeigt. Über die musikalische
Gestaltung, welche fast ausschließlich aus zeitgenössischen Popsongs besteht,
wird das Innenleben der Figuren greifbar und Nähe hergestellt. Wenn diese
beispielsweise mobil über Kopfhörer Musik hören, kann das Publikum mithören und
so die jeweilige Stimmungslage der Figur nachvollziehen. Durch den Verzicht auf
Songs vergangener Musikdekaden situiert sich die Handlung auch auf der
Klangebene in der unmittelbaren Gegenwart.
Themen und Werte
Über die verschiedenen interpersonalen Konflikte hinaus, behandelt die Serie immer wieder aktuelle gesellschaftspolitische Themen. Die selbstsicher auftretende und sich progressiv gebende Mia, dient etwa dazu, weibliche Solidarität und feministische Ideale zu verhandeln. In der zweiten Staffel wird sie auf einer öffentlichen Toilette sexuell bedrängt, was in der Serie funktionalisiert wird um zu demonstrieren, wie junge Frauen sich gegen Formen sexueller Gewalt wehren können. Besonders in den ersten zwei Staffeln liegt der Schwerpunkt auf adoleszenter Weiblichkeit. Neben Solidarität und Freundschaft junger Frauen, thematisiert die Serie weibliche Sexualität – vor allem über intime Gesprächssituationen, in denen die Freundinnen offen über Verhütung, Masturbationserfahrungen, Nacktbilder im Internet und Penisgrößen reden. So wird gerade das Sprechen über sexuelle Unsicherheiten und Vorlieben enttabuisiert und als selbstverständlicher Teil weiblicher jugendlicher Lebenswelten dargestellt.
Die Präsenz der Hijab tragenden Muslima Amira führt zu wiederkehrenden
Auseinandersetzungen mit religiöser Identität, kultureller Vielfalt und
alltäglichen Ausgrenzungserfahrungen. Daneben macht die Figur der Kiki erste,
enttäuschende sexuelle Erfahrungen und hadert mit ihrem Aussehen, womit die
Serie den gefühlten sozialen Druck auf Heranwachsende (und nochmals auf
bestimmte Weise auf Mädchen) in einer übersexualisierten, auf Äußeres
fixierten Gesellschaft darstellt. Durch das Coming-Out-Narrativ in der zweiten
Staffel wird ein Blick auf sexuelle Orientierungssuche gelenkt. Zur Clique
gehört auch die Afrodeutsche Sam, die in den ersten vier Staffeln nur selten
über den Status der Sprüche klopfenden, lockeren Freundin hinauskommt. Druck schließt so
auch an die Diversitätsbestrebungen vieler zeitgenössischer
US-Fernsehproduktionen an.
In der fünften Staffel wird über Kikis Schwester Nora der Fokus auf das Thema psychische Krankheiten gelegt, gezeigt wie sich eine psychische Krankheit im Alltag äußert, zu welchen Belastungen sie führt und welche Möglichkeiten der Behandlung es gibt. In der sechsten Staffel geht es einerseits um schulische Leistungsprobleme und Lernschwierigkeiten, andererseits aber auch um die Erfahrungen und Überforderungen von Migrant*innenkindern in Deutschland. Was in der Serie größtenteils an den Rand gedrängt wird, sind Fragen schichtspezifischer Zugehörigkeiten und wie sich diese auf die Bewältigung jugendlicher Entwicklungsherausforderungen auswirken können. Durch die Verhandlung vieler Themen auf der individuellen Mikroebene und die Fokussierung auf die emotionalen Zustände der Protagonist*innen, werden grundlegendere strukturelle Probleme nicht angetastet. Im Vordergrund stehen Jugendliche der ökonomisch abgesicherten deutschen Mittelschicht. Über die Figur des Alexander Hardenberg wird zwar immer wieder angedeutet, wie eine ökonomisch privilegierte Position berufliche Perspektiven verbessern kann, weiter verfolgt wird dieses Thema aber nicht. Auch sonst leben die Hauptfiguren als Schüler*innen in geräumigen Berliner Wohnungen oder wachsen in Einfamilienhäusern am Stadtrand auf. Erst in der sechsten Staffel wird das Ausüben eines Nebenjobs ausführlicher gezeigt. Die Darstellung jugendlichen Erlebens erfolgt damit aus der Perspektive gut behüteter Gymnasiast*innen, welche sich nur selten mit drängenden ökonomischen Fragen beschäftigen müssen. In der Serie werden demnach Geschichten über das Aufwachsen unter ganz spezifischen sozioökonomischen Bedingungen erzählt. In Deutschland lebt rund ein Fünftel der jungen Menschen in finanziell und sozial benachteiligten Familien (Albert/Hurrelmann/Guenzel 2019, 39). Diese finden in der Serie aber nicht statt.
Auch der politische Aktivismus der Protagonist*innen bleibt
diffus. Zwar wird in den transmedialen Erweiterungen gezeigt, wie sie sich für
eine Fridays for Future Demonstration vorbereiten, ein Benefiz-Konzert für
Geflüchtete organisieren oder an die Opfer des Anschlags im hessischen
Hanau gedenken, in der Haupthandlung spielen diese Themen aber kaum eine Rolle.
Für welchen konkreten gesellschaftlichen Wandel sich die Figuren einsetzen,
wird weder in der Serie noch in den Erweiterungen konkret ausformuliert. Dies
zeigt sich auch beim Thema Alltagsrassismus: Vereinzelt äußern
sich Passanten negativ gegenüber der Hijab tragenden Amira und es
wird gezeigt, wie sich Amira – die Hauptfigur der vierten Staffel -
in diesem Moment fühlt. Eine weiterführende Auseinandersetzung mit
strukturellem Rassismus oder Islamophobie, die über den konkreten Einzelfall
hinausgeht, erfolgt aber nicht.
Die Corona-Pandemie wird in der fünften und sechsten Staffel thematisiert.
Besonders im schulischen Kontext sind die Figuren mit Maske zu sehen. Auch ist
Corona in einzelnen Momenten präsent (zum Beispiel, wenn Noras Mutter in
Kurzarbeit geschickt wird), für die konkrete Ausgestaltung der Handlung hat die
Pandemie aber keine großen Konsequenzen. In der fünften Staffel wird die Angst
vor einer potenziellen Corona-Infektion behandelt, Schulschließungen, Social
Distancing und Quarantäne-Maßnahmen finden aber nicht statt. Stattdessen gibt
es weiterhin regelmäßige Gruppentreffen, mehrere Partys und zahlreiche
Umarmungen. Der scheinbar vor Corona entwickelte Plot wurde also nur marginal
angepasst und aktualisiert.
Produktion und Distribution
Die Serie wurde von der Produktionsfirma Bantry Bay in Zusammenarbeit mit
dem ZDF und Funk produziert. Gab es zwischen der ersten und zweiten Staffel
noch eine längere Pause, wurden die Staffeln zwei bis vier dicht nacheinander
veröffentlicht. Mit der vierten Staffel wurde die Geschichte um die erste
Generation zu Ende geführt. Dadurch endete auch die Orientierung an der
Originalserie Skam, welche es auf insgesamt vier Staffeln
brachte. In der Pause zwischen der vierten und fünften Staffel veröffentlichte
die Produktion auf verschiedenen Plattformen einen Fragebogen, um die
Interessen, Probleme und alltäglichen Erfahrungen des Zielpublikums besser
verstehen und in die Planung zukünftiger Staffeln einbeziehen zu können.
Dadurch wurde das Bestreben verstärkt nicht nur eine Serie über, sondern vor
allem für Jugendliche zu produzieren.
Die Distribution ist eng verzahnt mit den Ereignissen der einzelnen Clips
und Episoden: Posts aus den fiktionalen Handlungen setzen sich auf
verschiedenen sozialen Plattformen fort, wo die Figuren durch fiktive Profile
vertreten sind. Durch diese können neben den jeweiligen Hauptfiguren weitere
Charaktere und Figurenperspektiven der vergangenen Staffeln fortgeführt werden.
Zu den transmedialen Erweiterungen gehören die Funk-Plattform, der YouTube-Kanal zu Druck, Profile
der Figuren auf Instagram, eine Playlist auf Spotify und ein What’s-App-
(später Telegram-) Newsletter, mittels dem die Follower sich nicht nur
updaten, sondern den Produzierenden auch Kritik und Verbesserungsvorschläge
mitteilen können. Zur Koordination der unterschiedlichen
Distributionskanäle wurde ein Social Media Department eingerichtet, welches die
chatbasierte Kommunikation für den What’s-App und in den späteren Staffeln
Telegram-Newsletter erstellt und die Instagram-Kanäle der Protagonist*innen
bespielt.
Mit der ‚Echtzeit‘-Distributionsstrategie ist Druck, wie die
Vorlage Skam, auf eine medienübergreifende und mobile
Nutzung hin ausgerichtet und bestreitet neue Wege gegenüber der wöchentlichen,
linearen Ausstrahlung, aber auch gegenüber dem von Netflix geprägten
„binge-publishing model“ (Sundet 2018, 9). Zwar lässt sich die
Serie am Stück rezipieren (,wenn mehrere Folgen auf der Funk-Plattform oder
auf dem zugehörigen YouTube-Kanal erschienen sind), zunächst
werden einzelne Szenen aber zur fiktiven ‚Echtzeit‘ publiziert. Einblendungen
markieren den Zeitpunkt, der sich aus den Charakteren und Geschichten, aber
nicht mehr aus einem festen Sendeschema ergibt. Auf der einen Seite
erlebt das Publikum die Ereignisse vermeintlich zeitgleich mit den Figuren mit,
auf der anderen Seite zeitgleich mit anderen ‚eingeweihten‘ Zuschauer*innen,
die den kontinuierlichen Updates folgen. Die ‚Echtzeit‘-Strategie kann daher
sowohl Fan-Praktiken befördern als auch eine Identifikation mit den Figuren
stärken. In Kombination mit den fiktiven Profilen und den unbekannten
Darsteller*innen, deren tatsächliche Hobbys und Vorlieben zum Teil in die
Figurenzeichnungen einflossen, wird zudem eine Authentizität suggeriert.
Druck baut als Adaption somit
auf den transmedialen Strategien des norwegischen Skam auf, passt diese aber den
veränderten Mediennutzungspraktiken der anvisierten jungen Zielgruppe an. So
werden narrative Erweiterungen nicht mehr auf Facebook, sondern Instagram, What’s-App und später Telegram veröffentlicht und die einzelnen
Episodenfragmente sowie ganzen Episoden, nicht wie das
norwegische Original auf einer sendereigenen Homepage, sondern
über einem separat eingerichteten YouTube-Kanal distribuiert. Auf
diesem fanden währen der Ausstrahlung auch regelmäßig virtuelle
Release-Partys zu den einzelnen Folgen, sowie auch Binge-Watching-Events statt,
bei denen gemeinschaftlich die Serie nochmal komplett geschaut werden konnte.
Die Chat-Funktion von YouTube erlaubte dabei auch einen zeitgleichen
Austausch.
Während der vierten Staffel, in der es auch um die Abiturprüfungen ging,
konnten die Abitur-Feierlichkeiten über Instagram-Stories aus weiteren, nicht
in der Serie gezeigten Perspektiven verfolgt werden. Dazu werden
Figureneinführungen (und auch Abschiede) über Instagram
und What’s-App-Nachrichten arrangiert.
Hans (eine ab der zweiten Staffel regelmäßig auftretende Figur) wurde vor
dem Start der zweiten Staffel erstmals auf Instagram und den separat
über das Smartphone abzurufenden What’s-App-Chat-Protokollen gezeigt und
der vorläufige Abschied der Figur der Mia (die für ein Auslandsjahr nach
Spanien geht) wird ebenfalls über What’s-App-Chat-Verläufe vorbereitet.
Über Chat-Verläufe und einen auf YouTube veröffentlichten Skype-Chat erfahren
die Nutzer*innen auch mehr über ihre Erlebnisse in Spanien. Über diese
transmedialen Erweiterungen wird die Handlung der Serie also fortgesetzt und
erweitert.
Druck gehört zu den erfolgreichsten Eigenproduktionen
des Content-Netzwerks Funk. Der YouTube-Kanal verzeichnet aktuell über 115
Millionen Abrufe und hat 420.000 Abonnent*innen. Die Instagram-Profile der
fiktiven Figuren haben zwischen 20.000 und 40.0000 Abonnent*innen. Die
erfolgreichste Einzelfolge ist die erste der ersten Staffel mit über drei
Millionen Abrufen. Die Folgen der zweiten Staffeln lagen jeweils zwischen ein
und zwei Millionen Abrufen. Mit steigender Staffelzahl, begannen die
Abrufzahlen kontinuierlich zu sinken. Das Finale der vierten Staffel kam noch
auf über 800.000 Abrufe. Auf ähnliche Abrufzahlen kam auch der Beginn der fünften
Staffel, im Laufe der Staffel gingen diese weiter zurück. Das Finale der
fünften Staffel hat aktuell knapp 460.000 Abrufe. Die sechste Staffel ist mit
Abrufzahlen zwischen 200.000 und 300.000 die bisher schwächste, im Vergleich zu
anderen Funk-Produktionen steht die Serie nach insgesamt drei Jahren aber immer
noch gut dar. Ob eine siebte Staffel produziert wird, wurde bisher noch nicht
bekannt gegeben.
Angaben
Staffeln: 6
Episoden: 10/10/10/10/10/10 (erste/zweite/dritte/vierte/fünfte/sechste Staffel)
Episodenlänge: ca. 15–40 Minuten
Erscheinungsrhythmus: täglich/wöchentlich
Zuerst gezeigt auf: YouTube und funk.net
Regie: Pola Beck (erste bis vierte Staffel), Jano Ben Chaabane (zweite Staffel),
Tom Lass (dritte Staffel), Chris Miera (dritte Staffel), Barbara Ott (vierte
Staffel), Luzie Loose (vierte und fünfte Staffel), Faraz Shariat (fünfte und
sechste Staffel), Sophie Linnenbaum (fünfte Staffel), Joya Thome (sechste
Staffel), Sarah Blaßkiewitz (sechste Staffel)
Produktion: Bantry Bay im Auftrag für Funk
Jahr: Seit 2018
Abrufbar unter: https://www.youtube.com/c/DRUCKDieSerie/featured (Zugriff 02.09.2020)
Forschungsliteratur
Albert, Mathias/Hurrelmann, Klaus/Quenzel, Gudrun (2019): Jugend 2019:
Zwischen Politisierung und Polarisierung. In: Diess. (Hrsg.): 18. Shell Jugendstudie: Jugend 2019 –
Eine Generation meldet sich zu Wort. Weinheim und Basel: Beltz, S. 35–46.
Krauß, Florian/Stock, Moritz (Hrsg.) (2020): Teen TV: Repräsentationen,
Lesarten und Produktionsweisen aktueller Jugendserien. Wiesbaden: Springer
VS.
Sundet, Vilde Schanke (2019): From ‘Secret’ Online Teen Drama to
International Cult Phenomenon. The Global Expansion of SKAM and its Public
Service Mission, in: Critical Studies in Television, Vol 15(I), S. 69–90.
Wegener, Claudia (2011): Der Kinderfilm: Themen und Tendenzen. In: Schick,
Thomas/Ebbrecht, Tobias (Hrsg.): Kino in Bewegung: Perspektiven des
deutschen Gegenwartsfilms. Wiesbaden: Springer VS, S. 121–135
(Moritz Stock, 16.03.2021)