7 vs. Wild

 von: Nele Riepshoff

 
„Freunde, […] es ist so weit“, verkündete YouTuber Fritz Meinecke am 13.06.2022 über seinen Kanal „Fritz Meinecke – Live“. Bereits der Titel verrät dessen Anlass, die offizielle Ankündigung einer zweiten Staffel der erfolgreichen Webserie 7 vs. Wild, welche Ende 2022 auf YouTube ausgestrahlt werden soll. Die Produktion einer zweiten Staffel ist, gemessen an Reichweite und Beliebtheit der ersten Staffel, nicht überraschend. Die zweite Staffel soll demselben ,Versuchsaufbau‘ wie die erste folgen: Sieben Kandidat:innen werden mit sieben von ihnen ausgewählten Gegenständen für sieben Tage in vermeintlich menschenleeren, abgelegenen und naturbelassenen Orten ausgesetzt, wo sie durch Nutzung diverser Action-Kameras ihre Erlebnisse und Aufgaben, in Form von zu erfüllenden Tageschallenges, für ein Publikum ‚dokumentieren‘. Als Wettkampf konzipiert gewinnt der/die Teilnehmende, der/die nicht frühzeitig das Experiment abbricht und in den Tageschallenges die meisten Punkte erzielt. Der/die Sieger:in erhält ein Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro, welches an eine gemeinnützige Organisation der eigenen Wahl gespendet werden kann.

 

Anlässlich der Fortsetzung soll an dieser Stelle die erste Staffel rekapituliert werden.

 

 

Inhalt und erzählerische Struktur

 

Die erste Staffel von 7 vs. Wild wurde auf YouTube über den Hauptkanal von Fritz Meinecke durch sukzessives Posten der einzelnen Folgen im Zeitraum vom 06.11.2021 bis 29.12.2021 in einer gleichnamigen Playlist mit insgesamt 16 Folgen veröffentlicht. Abgesehen von der ersten Folge, in welcher Meinecke das Format und anschließend die (ausschließlich männlichen) Teilnehmer vorstellt, folgt jede Episode dem gleichen dramaturgischen Prinzip: Zu Beginn werden in wenigen Sekunden unter der Überschrift „In dieser Folge…“ proleptisch emotionalisierende Momente der jeweiligen Episode eingeblendet. Anschließend folgt ein Intro, in welcher das Prinzip der Serie durch eine Erzählerstimme u.a. zu Drohnenkameraaufnahmen des Austragungsortes (einem schwedischen Wald), sowie zu Einblendungen der Kandidaten mitsamt Namen immer wieder aufs Neue erläutert wird. Musikalisch begleitet werden die Aufnahmen, auffallend pathetisch aufgeladen, von Trommeln und Streichinstrumenten. Die Episoden enden teilweise mit Cliffhangern und wirken auch um diesen dramaturgischen Effekt modelliert, damit einher geht die Streckung der erzählten Zeit von insgesamt acht Tagen auf sechzehn Folgen mit rund einstündiger Laufzeit.

 

 

Abbildung: Screenshot aus dem Intro 7 vs. Wild (E1)

 

Die sieben Kandidaten, die sich scheinbar in Isolation mit lediglich ihren mitgebrachten Gegenständen innerhalb eines unpräparierten, natürlichen Umfelds zurechtfinden sollen, treten innerhalb der Serie in unterschiedlichem Maße als ‚Survival-Experten‘ auf. Die Erfahrungsschätze im Umgang mit der freien Natur und dem Überleben ohne Hilfestellung in der Wildnis variieren stark. Das verbindende Element der Teilnehmer stellt vielmehr ihre mediale Präsenz auf Onlinevideoplattformen und ihre damit einhergehende Affinität zur Kamera und einem antizipierten Publikum dar. Alle sieben Teilnehmer besitzen eigene YouTube-Kanäle, auf welchen sie unterschiedlichen Content posten: Während Organisator Fritz Meinecke, der selbst auch als Teilnehmer auftritt, sowie Kandidat Martin („SurvivalMattin“) primär und in regelmäßigen Zeitabständen Tutorials zum Thema Überleben in abgelegenen Gegenden und/oder sich selbst beim Erkunden von einst bewohnten, nun jedoch verlassenen Orten (Lost-Places) hochladen, veröffentlichen die Kandidaten Chris („relodiak“) und Dave („Friedrich-Dave“) ein sehr breites Spektrum an Inhalten, von Reaction-Videos über Lost-Places-Formaten zu Produktbewertungen. Die Teilnehmer Pascal („Der Bommel“) und Niklas („Niklas on Fire“) posten zwar im Gegensatz zu den anderen Kandidaten in weitaus unregelmäßigeren Abständen, bieten jedoch auch Einblicke in ihre handwerklichen Fähigkeiten durch in Zeitraffer aufgenommene Bauunterfangen, und Teilnehmer Fabios YouTube-Kanal („Fabio Schäfer“) zeigt ihn hauptsächlich beim Mountainbiken. Die verschiedenen thematischen Schwerpunkte mitsamt Outdoor-Erfahrung der YouTuber werden zu Beginn der Serie nicht explizit genannt, zeigen sich jedoch bereits bei der Wahl der mitgenommenen Gegenstände, beispielsweise anhand der Mitnahme eines Feuerzeugs oder eines Feuersteins.

 

Die in der ersten Folge stattfindende Vorstellung der einzelnen Teilnehmer erinnert an die Wahl eines Charakters in einem Videospiel: Eine Erzählerstimme gibt vermeintliche Hintergrundinfos zu den Männern preis, welche den Zuschauenden Orientierungshilfen bieten, während eine Einzelaufnahme des gestikulierenden Kandidaten in Slow-Motion mitsamt Inserts zu Größe, Alter, Startgewicht und Körpertyp eingeblendet wird. Im Sinne der Wettbewerbsstruktur der Serie wird dem Publikum hiermit ein erster Anhaltspunkt zur Chancenabwägung der Kandidaten à la „Choose your Player“ geschaffen, verstärkt durch darauffolgende Interviews, in welchen die Teilnehmer prognostizieren, wer am meisten Schwierigkeiten während des Experiments haben wird. 

 

 

Abbildungen: Screenshots aus 7 vs. Wild (E1)

 

Nach den Einzelvorstellungen sowie einer gemeinsamen Diskussion der jeweils ausgewählten Gegenstände werden die Kandidaten in der zweiten Folge zu verschiedenen Standorten an einem schwedischen See gebracht, an welchem sie die kommenden sieben Tage ohne fremde Hilfestellung verbringen sollen. Ab diesem Punkt filmen die Teilnehmer sich selbst, die Kameraperspektiven sind durch die Abwesenheit eines Kamerateams stark beschränkt. Teilweise werden zwar bei zeitaufwendigen Tätigkeiten, wie dem Hacken von Holz oder dem Werkeln am eigenen Shelter, montageähnliche Sequenzen durch die Nutzung einer statisch platzierten sowie einer am Headstrap getragenen Kamera gezeigt, dennoch ist das Publikum meist einer gewissen visuellen Informationsbeschränkung ausgesetzt. Die dadurch vorhandene Abhängigkeit von den Teilnehmern als dominierenden Erzählern geht gleichermaßen mit einer Nähe und einem authentifizierten, vermeintlich ungefiltertem Auftreten einher. 

 

 

Die Rhetorik der Teilnehmer

 

Die Selbstdarstellung der Teilnehmer geht immer wieder mit einer Beglaubigung des Bedrohungspotenzials der Situation sowie vermeintlich lehrreichen Erlebnissen einher, erzeugt durch eine kontinuierliche Thematisierung von zu überwindenden psychischen und physischen Herausforderungen. Der archaisch strukturierte Alltag wird genutzt, um die eigene Person während scheinbar intensiver Selbsterfahrungen und -erkenntnissen zu inszenieren, beispielsweise beim Umgang mit den existentiellen (eigentlich außeralltäglichen) Erfahrungen von Isolation, Hunger und Kälte. Die Situation wird von einigen Teilnehmern durch die Nutzung einer überspitzten Rhetorik dramatisiert („Survival bedeutet ja nicht, in Luxus schwelgen, Survival heißt seinen Tod herauszögern. Was ich hier mache, ist, glaube ich, genau das“, Survival Mattin, E14), begünstigt durch ausgedehnte Thematisierungen vermeintlich gefährlicher Situationen, beispielsweise im Rahmen eines rückblickenden Gesprächs aller Teilnehmer über Fabios scheinbares Nahtod-Erlebnis am Lagerfeuer (E16). Die suggerierten Aussichtslosigkeiten der jeweiligen Situationen werden im Verlauf der Serie dramaturgisch durch die Überwindung dieser Problemfelder aufgelöst, der Fokus der Selbstdarstellungen liegt entsprechend auf den Bewältigungsszenarien mitsamt ausgestellten Selbstreflexionen und Erfolgsbekundungen (vgl. Fritz Meinecke, E16). 

 

 

Abbildungen: Screenshots aus 7 vs Wild (E16; E14)



Die rhetorischen Strategien erfüllen nicht nur den Zweck, die Serie hinsichtlich ihrer existentiellen Dramatik (,der Mensch in Konfrontation mit einer rohen Natur‘) zu beglaubigen, sondern auch die eigene Person innerhalb des kompetitiven seriellen Konstrukts als möglichst kompetent und mental als auch körperlich strapazierfähig zu inszenieren. Hinweise, dass die Zuschauenden gerne Kommentare unter dem Video dalassen können, weisen auf das Wissen um die mediale Rahmung hin und sind als Zeichen des aktiven Anfeuerns des YouTube-Algorithmus zu werten.

 

 

 

Genre und Ästhetik

 

Das Überleben in der Wildnis wird seit der Jahrtausendwende vermehrt in TV-Formaten aufgegriffen, unter anderem in kommerziell erfolgreichen Produktionen wie Ray Mears’s Extreme Survival (1999–2002, BBC), Les Stroud’s Survivorman (2005–2015, OLN) und Dave Canterbury’s Dual Survival (2010–2016, Discovery Channel). Anhand von ,Bushcrafting-Skills‘, wie Feuer machen o. der Errichtung eines Unterschlupfes („Shelter“), wird die eigene Expertise dargestellt und Tipps bezüglich des Überlebens in freier Natur an die Zuschauer:innenschaft herangetragen, sodass der Eindruck einer demonstrativen Lehrsituation entsteht. Das Genre als solches verbindet dabei verschiedene Elemente anderer audiovisueller Formen, inklusive Reality-Formaten, dokumentarischen Filmen und How-To Instruktionsprogrammen (vgl. Champion 2016, 240). Dabei können einige Komponenten ausgemacht werden, die rekursiv auftauchen: Die vermeintliche Überlebensproblematik geht teils mit grotesken Zurschaustellungen überlebensnotwendiger Maßnahmen einher, wie sie beispielsweise bei dem bekannten Format Man vs. Wild von Bear Grylls (2006–2020, UK Diverse Productions) zu beobachten sind, an welches 7 vs. Wild sogar namentlich erinnert, häufiger jedoch noch mit stereotyp archaisch-männlich konnotierten handwerklichen Fähigkeiten, wie Holz hacken und Feuer machen. Survival-Shows und die aktive Teilnahme an solchen erscheint als hauptsächlich weißes und männliches Privileg, welches nur teilweise durch Frauen ausgeführt wird, und dann meist in Begleitung eines Mannes (vgl. Champion 2016, 241). Der bewusste Verzicht auf technische Hilfsmittel hingegen lässt sich als performative Beglaubigung der männlichen Selbstständigkeit werten (vgl. Davidson 2020, 480).

 

Basierend auf einem darwinistischen ‚Survival of the fittest‘-Prinzip treten in der ersten Staffel der Webserie nur Männer um das Preisgeld von 10.000 Euro gegeneinander an, wobei sie gängige Themen von Survival-Shows aufgreifen, ebenso wie das Konzept als solches nachahmen: Nicht nur treten einige Kandidaten gewissermaßen als erläuternde Experten in Hinsicht auf Bushcrafting-Skills auf, auch wird durch das kontinuierliche Tragen von Kameras an Headstraps diverse dieser Fähigkeiten lediglich aus einer videospielähnlichen Egoperspektive gefilmt und abgebildet, wodurch nicht nur eine Genrevermischung von Reality-Formaten und How-To-Tutorials entsteht, sondern auch auf ästhetischer Ebene gattungsübergreifende Hybridisierungen in Richtung des Gamings impliziert werden. Die dadurch geschaffene Normalisierung der Egoperspektive dient zusätzlich dem Spannungsaufbau, da die Visualität der Zuschauer:innen scheinbar an die der erlebenden Teilnehmer gebunden ist, wodurch eine ähnliche Begrenztheit der optischen Peripherie angedeutet wird, welche die Unsicherheit über die Umgebung und die mit ihr verbundenen Gefahren erhöht.

 

Ein rekursiver Aspekt ist in Survival-Shows die Überbetonung von Bedrohungen, denen sich die beteiligten Personen in den jeweiligen Formaten aussetzen. Auch in 7 vs Wild bildet die Thematisierung von Gefahren eine Art Leitfaden, der in der Postproduktion durch die nachträglich geschaffene Rahmung anhand von Schnitten und Musik verstärkt wird. Der Spannungsaufbau wird beispielsweise durch den Einsatz von Cliffhangern in vermeintlich unsicheren Situationen geleistet, wodurch jede Entscheidung dramatisch, als potentiell überlebenssichernd oder -gefährdend erscheint. Überleben in der Natur bedeutet in dieser Lesart eine Bewältigung jener, die Inszenierungsweise vermittelt einen kämpferischen Charakter, welcher nicht nur in dem Titel, sondern bereits im Intro steckt: „Ausgesetzt in der Wildnis von Schweden kämpfen sieben Kandidaten sieben Tage lang um ihr Überleben“. Die Worte, gesprochen von einer männlichen, tiefen Stimme, werden epochal von „Heart of Courage“ von Two Steps from Hell untermalt (vgl. Mass Effect 2, Bioware 2010; Die Chroniken von Narnia: Die Reise auf der Morgenröte, UK/US 2010, Michael Apted). Die Überlebenssimulation wird hier als eine reell existente ausgezeichnet, abgesichert durch einen S.O.S.-Knopf mit GPS-Tracker für den Notfall. Gleichzeitig schafft die dramatisierende Musik eine cineastische Lesart der Serie, die sie als mediales Produkt der Unterhaltungsindustrie ausweist und in einem Widerspruch zu den YouTube-typischen Authentifizierungsstrategien, wie der Nutzung von „Go Pros“, zu stehen scheint. Die Möglichkeit des sofortigen Abbruches des Experiments sowie ein umfassendes Training zur Vorbereitung verdeutlichen den Unterschied zu einer tatsächlichen Survival-Situation, genau wie die Überhöhung des vermeintlichen Survival-Charakters der Serie in einem subtilen Widerspruch zu den Grundgedanken des Bushcraftings steht. Dieses weist über das bloße Überleben in der Wildnis hinaus und legt den Fokus stattdessen sehr viel mehr auf das Wohlfühlen in der Natur, Teil einer natürlichen Umgebung werden und gemeinsam mit ihr zu leben (vgl. Graves 2013, 2). 

 

In 7 vs. Wild weist der Einsatz von Technik zu Dokumentationszwecken und Selbstabbildung vielmehr auf die Paradoxie einer Abhängigkeit von der zivilisierten Welt, den Sehgewohnheiten eines Publikums sowie auf Autarkie als Illusion hin. Daneben werden Strategien des Unterhaltungsfernsehens bedient: In Folge 13 erhalten die Teilnehmer die Tageschallenge, sich beim Insekten essen zu filmen, welches an die Aufgabenstrukturen von Ich bin ein Star: Holt mich hier raus! (2004–, Granada Produktion für Film und Fernsehen) erinnert. Hier offenbart sich, dass die Aufbereitung der Serie auf ein möglichst breites Publikum abzielt und der Fokus nicht allein auf dem Leben mit der Wildnis, sondern auf einem dramatisch inszenierten gegen die Wildnis liegt, wie bereits der Titel suggeriert.  

 

 

Abbildung: Screenshot aus 7 vs. Wild (E13)


 

 

Referenzialität

 

Der kompetitive Aspekt der Serie lässt sich nicht nur in den Inszenierungsweisen der Kandidaten finden, sondern auch in der Nähe zu militaristischen Strukturen und durch das Aufgreifen von heidnischen Referenzen. In der zweiten Folge werden die Kandidaten am sehr frühen Morgen in militaristischer Manier geweckt, darauffolgend werden ihnen die Augen verbunden und sie werden durch ein Boot zu den ihnen unbekannten Zielorten gebracht, die sie lediglich schwimmend erreichen können. Fritz Meinecke verabschiedet sich bei den anderen Kandidaten mit den Worten „Jungs, wir sehen uns in Walhalla“ (E2). Das Szenario wird in der Folge selbst als „Aussetzung“ (E2) bezeichnet. Die Referenzbildungen zu neopaganistischen Strömungen durch Aufgreifen von germanischer Mythologie kann auf die Betonung eines mit der Natur in Verbundenheit stehenden Lebensstils rückgeführt werden und tritt wiederholt innerhalb der Serie auf („Ich bete zu Odin“, Chris, E14; Niklas schnitzt ein Runenalphabet, E15). Die kriegerischen Metaphern, die u.a. auf Wikinger hindeuten, überbetonen die vermeintliche Authentizität der Gefahr, die das Experiment mit sich trägt. Auch kann hier eine Nähe zu beliebten populärkulturellen Artefakten, wie der Serie Vikings (2013–2020, Michael Hirst), vermutet werden, wodurch 7 vs. Wild eine gewisse Intertextualität zugesprochen werden kann. Neben Referenzen zur Populärkultur lassen sich auch medienreflexive Elemente innerhalb der Serie bei den Formulierungen der Tageschallenges in Form von Zitaten finden: So wird beispielsweise Harald Krull aus der 2007er SpiegelTV-Dokumentation Der Penny-Markt auf der Reeperbahn zitiert („Captain zur See, mit den Patenten A, B, C und 6!“, E7) genauso wie George R. R. Martins „Die Nacht ist dunkel und voller Schrecken“ (E4).

 

Bei der Ankündigung der zweiten Staffel greift Organisator Fritz Meinecke erneut auf einen fiktionalen Text zurück, indem er anführt, dass er sich ein „Robinson Crusoe“-ähnliches Szenario vorstellt und anschließend über eine an Lost (2004–2010, Bad Robot/Touchstone Television/ABC Signature) erinnernde Ausgangssituation spricht: „Flugzeugabsturz, man wird angespült, man muss überleben, Kokosnüsse, dies das“ (vgl. Fritz Meinecke – Live: 7 vs Wild: Staffel 2 | Es ist offiziell, 13.06.2022). Die Überhöhung der potenziellen Gefahren der Serie mitsamt Verknüpfungen zu bekannten kulturhistorischen Texten kann folglich als Verkaufsstrategie der Serie, hier insbesondere der neuen Staffel, gewertet werden. Die zweite Staffel, welche auf einer tropischen Insel stattfinden soll, wird von Meinecke als „rough und echt“ (ebd.) und als noch größere Herausforderung für die Teilnehmenden betitelt. Auch kann hier eine dramaturgische Ähnlichkeit zu der dystopischen fiktiven Bücher- und Filmreihe „The Hunger Games“ (Die Tribute von Panem, US 2012, Gary Ross) ausgemacht werden: In einem dystopischen Setting werden Kandidat:innen durch Kameras aufgenommen und von einem Publikum mitverfolgt, während sie nicht nur gegeneinander, sondern auch um ihr Überleben in der Natur kämpfen. Der erste Teil der Filmreihe thematisiert als Setting eine Waldlandschaft, der zweite (The Hunger Games – Catching Fire, US 2013, Francis Lawrence) eine tropische Insel. Die Änderung des Naturraums für die zweite Staffel bei 7 vs. Wild kann dementsprechend als eine selbstreferenzielle Fortsetzung gesehen werden, bei der potentiell eine Erhöhung des Schwierigkeits- beziehungsweise Bedrohungsgrades stattfindet, wie sie aus popkulturellen Produkten bekannt ist.

 

 

Produktion (und zweite Staffel)

 

7 vs. Wild gilt als Pionierprojekt in Deutschland und zeichnet sich mit teilweise über sechs Millionen Aufrufen durch eine hohe Reichweite aus. Während die Vorbereitungen der ersten Staffel weitgehend auf YouTuber Fritz Meinecke zurückgehen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden, fallen die der zweiten Staffel durch ihre bereits sehr intensive Thematisierung in Meineckes Livestreams und Videos auf, wodurch gewissermaßen paratextuell eine Auslagerung der YouTube-Webserie auf weitere Plattformen erfolgt. Zwar stehen schon viele Aspekte der Planung fest, wie beispielsweise die geographischen Charakteristika des Ortes, dessen exakter Standpunkt nicht veröffentlicht wird, andere sind jedoch noch nicht final festgelegt, weshalb Meinecke von einer vermeintlich höheren Einbeziehung der Community spricht, die mitverfolgen könne, wen er als Teilnehmende für das Experiment via Video nominiert (vgl. Fritz Meinecke – Live: 7 vs Wild: Die Teilnehmer für Staffel 2, 15.06.2022). Die vermeintliche Zugänglichkeit der zweiten Staffel wird durch Meineckes Nominierung zweier Frauen zur Teilnahme an dem Experiment sowie eine „Wildcard“ mitsamt eines offenen Bewerbungssystems für eine von Meinecke nicht-nominierte Person demonstriert (vgl. Fritz Meinecke – Live: 7 vs Wild: Du kannst dabei sein! #7vswildcard, 14.06.2022). Die scheinbare Transparenz der Planung der zweiten Staffel dient folglich als werbende Maßnahme sowie zur Generierung eines Hypes um die neue Staffel, was auch als Versuch (neben dem Handyhüllenhersteller „Rhinoshield“ und der Supplementmarke „YFood“) weitere Sponsor:innen zu finden, gewertet werden kann.

Den bereits sehr hohen Kosten der zweiten Staffel („Ganz ehrlich, bei den Kosten, die da bereits entstanden sind, wird mir ein bisschen schlecht“, Fritz Meinecke – Live: „7 vs Wild – Staffel 2 | Es ist offiziell“, 13.06.2022), müsse durch eine stärkere Monetarisierungsstrategie entgegengewirkt werden. Dies zeigt sich auch in den bereits von Meinecke nominierten Teilnehmenden für die zweite Staffel, die allesamt über eine sehr hohe YouTube-Reichweite verfügen, jedoch teilweise wenig bis gar keine Erfahrung im Outdoor- oder Bushcrafting-Bereich besitzen, beispielsweise YouTube-Bekanntheit „knossi“, welcher sich durch 1,27 Millionen Abonnent:innen und non-existenten Erfahrungsschatz in ‚Survival‘-Formaten auszeichnet. Die Nominierung zweier Frauen erklärt Meinecke bei der Vorstellung der YouTuberin sabrinaoutdoor wie folgt: „Mir war wichtig, dass wir da irgendwie Frauenpower reinkriegen. […] Sie könnte die Frauenwelt repräsentieren“ (Fritz Meinecke – Live: 7 vs Wild: Die Teilnehmer für Staffel 2, 15.06.2022). Meineckes als intrinsisch dargestellte Motivation scheint jedoch ebenfalls mit der erhöhten Reichweite des Formats einherzugehen und lässt sich als Versuch interpretieren, der Kritik über systematische Ausgrenzung von Frauen aus dem Format zu entgehen: Der archaische Duktus der Show könnte bei erneut nur männlichen Teilnehmern sowohl vonseiten der Fans als auch der Presse angeprangert werden und Meinecke zur Rechtfertigung zwingen.

 

Insgesamt bleibt es spannend zu verfolgen, wie Fritz Meinecke die zweite Staffel 7 vs. Wild aufziehen wird, welche Veränderungen z.B. hinsichtlich der Form zu beobachten sein werden und inwiefern der Erfolg der ersten Staffel zu einer Modifizierung der Serie führen könnte. 

 

 

Angaben

 

Staffeln: 1
Episoden: 16

Episodenlänge: zwischen 32 und 74 Minuten 
Erscheinungsrhythmus: zweimal die Woche
Zuerst gezeigt auf: YouTube
Idee: Fritz Meinecke
Produktion: Fritz Meinecke, Johannes Hovekamp, Maximilian Kovacs
Produktionsland: Deutschland/Schweden
Jahr: 2021
Sprache: deutsch
Genre: Dokuserie/Tutorial/‘Survival‘-Show

 

 

Verfügbar unter:

 

https://youtube.com/playlist?list=PLPyDkYYqNkPa364y3LyawL8jBTd2Ald2G (letzter Zugriff: 14.07.2022).

 

 

Forschungsliteratur

 

 

Champion, Jared (2016): “Survivor shows and caveman masculinity.” In: The Popular Culture Studies Journal, vol. 4., no. 1/2, S. 240-258.

 

Davidson, Joe P. L. (2020): “‘Life Can Be a Little Bit Fluffy’: Survival Television, Neoliberalism, and the Ambiguous Utopia of Self-Preservation.” In: Television & New Media, vol. 21, no. 5, S. 475–492.

 

Graves, Richard (2013): Bushcraft: The Ultimate Guide to Survival in the Wilderness. New York: Simon and Schuster.

 

 

 

(Nele Riepshoff, 16.07.2022).