7 vs. Wild (Staffel 2)

von Nele Riepshoff

Die zweite Staffel der Webserie 7 vs. Wild knüpft in vielerlei Punkten an den Aufbau der ersten Staffel aus dem Jahre 2021 an: Sieben Kandidat:innen werden für sieben Tage isoliert voneinander an abgeschiedenen Orten, dieses Mal auf einer kleinen Insel an der Küste vor Panama, ausgesetzt und halten sich selbst und ihre Erlebnisse mit GoPros fest. Wer die vollen sieben Tage durchhält und in den zu erfüllenden Tageschallenges am meisten Punkte erzielt, ist der/die Gewinner:in und erhält ein zu spendendes Preisgeld. 

 

Ein schwarzes Bild, Stille. Mitsamt Soundeffekten erscheint in der unteren linken Bildhälfte in verwaschenen Neonfarben „PANAMA CITY. 08:30 UHR“. Die Kameraeinstellung ändert sich, das schwarze Bild wird aufgebrochen, Lichtstrahlen fallen durch ein riesiges, sich öffnendes Tor. Schneller Schnitt. Neue Kameraeinstellung. Ein Mann steht direkt hinter dem Tor. Sein Gesichtsausdruck ist ernst. Beim weiteren Öffnen des Tors wird der Blick auf eine ganze Reihe an Personen freigegeben, die Schulter an Schulter stehen; alle tragen Outdoor-Kleidung und halten in aufrechter Pose inne. Sobald die sieben Menschen, fünf Männer und zwei Frauen, beginnen, sich auf die Kamera zuzubewegen, wechselt die Musik schlagartig zu einer rockigen Hymne, während die Bewegungen teils in Slow-Motion, teils in Zeitraffer abgespielt werden. Der Auftritt mitsamt Spannungsaufbau ähnelt Superheld:innen- oder Action-Inszenierungen, die Szene stammt jedoch weder aus einem Blockbuster noch aus einer Netflix-Serie. Es handelt sich um die Eröffnungssequenz aus der beliebten YouTube-Webserie 7 vs. Wild – Panama, in der erstmalig die Kandidat:innen der zweiten Staffel gezeigt werden (E1, 00:02:45-00:03:40). 

 

Neben dem ausgewählten Ort (Panama, im Vergleich zu Schweden im Vorjahr) unterscheidet sich die zweite Staffel insbesondere durch pathetische und bildgewaltige Sequenzen, wie die eingangs skizzierte, sowie einer Verlagerung und Streckung der Serieninhalte in Online-Votings, Nominierungen innerhalb Live-Streams auf den Plattformen Twitch und YouTube und partizipatorischen Momenten der ,7 vs. Wild-Community’ mitsamt stärkerer Publikumseinbettung und -lenkung. 



Dramaturgie und narrative Struktur

Auch die zweite Staffel von 7 vs. Wild (7 vs. Wild – Panama) setzt sich aus 16 Folgen zusammen, die durch sukzessives Posten auf dem Kanal von Fritz Meinecke in einem Zeitraum vom 5.11.22 bis 28.12.22 veröffentlicht wurden. Neben der Hauptplaylist für die Serie existieren diverse weitere Playlists, die umfassenderen Content anbieten. Die Folgen sind im Durchschnitt zwischen 75 und 100 Minuten lang, mit Ausnahme der ersten und letzten, die jeweils knapp eine halbe Stunde dauern. 



Screenshot aus 7 vs. Wild (Staffel 2). 

Insgesamt wird innerhalb der Serie zwischen Aufnahmen der einzelnen Teilnehmer:innen hin- und her geschnitten, um so den Eindruck von Gleichzeitigkeit und Vergleichbarkeit entstehen zu lassen. Das Grundgerüst der Serie ist dabei simpel: Wer sich nicht vor Vollendung des siebten Tages abholen lässt, hat die Herausforderung des ,Überlebens‘ in Isolation und menschenentlegener, naturbelassener Gegend gemeistert, und eine Chance auf den Sieg. Eine starke Modifizierung in der Konzeption im Gegensatz zur ersten Staffel lässt sich bei der Mitnahme von Gegenständen finden: Während in der vorherigen Staffel alle (ausschließlich männlichen) Kandidaten sieben Gegenstände zu den für sie festgelegten Orten mitnehmen durften, darf dies in der zweiten Staffel lediglich Kandidat „Knossi“. Die Anzahl der mitzubringenden Utensilien stützt sich auf in vorherigen YouTube-Videos präsentierten Selbst- sowie Fremdeinschätzungen der Teilnehmer:innen. Abgeleitet davon hat sich ein internes Ranking ergeben, innerhalb dessen der als am schwächsten eingeschätzte Teilnehmer die volle Anzahl an sieben Gegenständen mitbringen darf, bis hin zu den beiden vermeintlich vielversprechendsten Teilnehmern Fritz und Otto, die jeweils mit nur einem Gegenstand auskommen sollen. Auch die Erzählstruktur hat sich dahingehend verändert, dass die Kandidat:innen mit ihren jeweiligen Gegenständen nicht zu Beginn der Serie vorgestellt werden, sondern diese sukzessive erst nach ihrer ,Aussetzung‘ gezeigt werden, sodass der Eindruck vermittelt wird, dass die Aufnahmen nicht vorproduziert, sondern bereits Teil der Erlebnisse wären.

 

Die Folgen sind mit konstruierten Cliffhangern versehen, die auf Bedrohung der oder Aufgeben von den Kandidat:innen hinweisen. Was die Episoden gemein haben, ist der jeweilige Anfang: Hier zeigt sich Organisator Fritz Meinecke, der in einem Waldstück steht und Produkte bewirbt oder auf Sponsoring hinweist. Die Werbeblöcke dauern circa eine Minute und sind als direkter Appell an das Publikum gerichtet. Meineckes Versuche, die Werbung in das Survival-Thema einzuspeisen, lassen jene hochgradig deplatziert wirken, beispielsweise in Folge 4, wenn er davon berichtet, dass man sich unterwegs in fremden Gebieten immer fragen müsse, ob das Wasser sicher sei, und so verhalte es sich auch im Internet, weshalb er die Firma NordVPN wegen Virenschutz empfehle (vgl. E4, 00:00:00-00:01:00). Zu „Heart of Courage“ von Two Steps from Hell erläutert anschließend eine männliche Erzählstimme die Grundregeln der Serie, angefangen mit: „Ausgesetzt auf einer tropischen Insel kämpfen sieben Kandidaten sieben Tage lang um ihr Überleben.“ Schnittbilder sind unter anderem Aufnahmen von Krokodilen und vermeintlich giftigen Pflanzen sowie Drohnenaufnahmen des Gebiets, während das Voiceover weiterhin erklärt, was für Gefahren die Kandidat:innen ausgesetzt seien, endend mit der pathetischen Zuspitzung: „Keine Kamerateams, kein Kontakt zur Außenwelt. Vollkommene Isolation.“ Dazu werden emotionalisierende Szenen der Teilnehmer:innen mitsamt Namen und kleinen Wortbeiträgen, entweder weinend oder apathisch, eingeblendet, die sie alle zu Zeitpunkten vermeintlich grenzüberschreitender Erfahrungen zeigen. Besonders plakativ wird dies bei der Einblendung von Fritz Meinecke: „Wann bricht deine Psyche?“.

 

Die Tageschallenges bieten eine Art dramaturgischen Eckpfeiler der Folgen, da die Auseinandersetzung mit ihnen Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Teilnehmer:innen herstellt, und ein Gefühl von Gleichzeitigkeit und Parallelisierung generiert. Die Challenges selbst orientieren sich weitestgehend an Actionkino-Konventionen und dienen dem Unterhaltungswert, so wird beispielsweise von den Teilnehmer:innen verlangt, Pfeil und Bogen zu bauen, und damit aus einer möglichst weiten Entfernung auf einen Holzpflock zu schießen. Informative Aspekte des Bauens werden durch Zeitraffer abgekürzt, vielmehr stehen die (Selbst-)Inszenierungen der Kandidat:innen im Vordergrund. 

 

Im Verlauf der Serie werden immer wieder Texttafeln eingeblendet, die dem Publikum Informationen anbieten. So werden Auskünfte über Kalorien der eingenommenen Nahrungsmittel vermittelt sowie zu Pflanzen- und Baumarten. Die Infotafeln verlagern ihren meist rein informativen Charakter jedoch im Verlauf der Serie zu einem didaktischen, der dem Publikum nicht nur Wissen, sondern auch gewisse Lesarten von Ereignissen anbietet. So wird an einer Stelle, als Teilnehmer Knossi raucht, der Appell platziert „Fangt nicht an zu rauchen“. An anderer Stelle erscheint ein Statement zum ,positiven Mindset‘ bzw. ‚Affirmationen‘ als Kandidat Otto versucht, sich durch erbauliche Monologe in positive Stimmung zu versetzen. Die Wichtigkeit des ,richtigen Mindset‘ bildet im Verlauf der Serie eine Art Leitfaden, an dem sich sowohl Publikum als auch Teilnehmer:innen entlang hangeln können. 



Screenshots aus 7 vs. Wild (Staffel 2). 

 

Die Kandidat:innen

Einen entscheidenden Unterschied zu der ersten Staffel bilden die Auswahl der Teilnehmer:innen und die dahinter stehenden Nominierungsprozesse, die im Vorfeld der Produktion stattfanden. Im Gegenzug zu den Kandidaten der ersten Staffel, die in der ersten Folge bekannt gegeben und primär aufgrund von persönlichen Kontakten zu Organisator Fritz Meinecke ausgewählt wurden, liefen bereits ein halbes Jahr vor Ausstrahlung der zweiten Staffel öffentliche Nominierungsprozesse auf YouTube und Twitch, innerhalb derer Meinecke bekannte deutsche YouTube-Persönlichkeiten zur Teilnahme aufforderte. Meineckes Nominierungen erfolgten nach und nach, mit dem artikulierten Anspruch ein breites Publikum zu involvieren. Dies zeigt sich insbesondere durch diverse Reaction-Videos-, die in Ping-Pong Manier zeigen, wie Meinecke jemanden nominiert, um dann auf die Video-Antwort zu reagieren (vgl. Robert Marc Lehmann „Die Entscheidung“), wodurch eine große Masse an Content produziert wurde, der eine potentielle Zuschauer:innenschaft vermeintlich in ,Echtzeit‘ und transparent einbindet. Auch neu ist die sogenannte ,7 vs. Wild-Card‘, die eine noch stärkere Publikumspartizipation forciert. Fünf Teilnehmer:innen würden von Meinecke ausgewählt, eine Person jedoch könnte die Wildcard gewinnen und so teilnehmen, für die Bewerbung müsse lediglich ein Bewerbungsvideo gedreht und hochgeladen werden; bekannte YouTuber:innen mit mehr als 10.000 Abonnent:innen dürften sich nicht  bewerben (vgl. 7 vs. Wild - Du kannst dabei sein! #7vswildcard, Fritz Meinecke, 14.06.2022).

 

Die sieben Teilnehmer:innen setzen sich dementsprechend aus sechs bereits bekannten YouTube-Persönlichkeiten sowie Wildcard-Gewinner Joris zusammen. Die Erfahrungen sowie ,Survival-Skills‘ der Kandidat:innen unterscheiden sich scheinbar stark innerhalb des bunten Pools aus On-Screen Persönlichkeiten. Die Vorstellung der Teilnehmer:innen erfolgt, ähnlich der vorherigen Staffel, in Slow-Motion Aufnahmen inklusive vergleichbarer ,Eckdaten‘ im Sinne eines Quartetts oder Videospielcharakter-Menüs, wie beispielsweise Alter, Gewicht und Größe sowie mitgenommener Gegenstände.

 

Fritz Meinecke tritt als Hauptorganisator und Gewinner des Vorjahres auf. Bekanntheit erlangte er primär durch umfangreichen Survival-Content auf seinem YouTube-Hauptkanal („Fritz Meinecke“) rund um das Thema „Outdoor“. Auf seinem Nebenkanal „Fritz Meinecke - Live“ werden hingegen aufgezeichnete Streams von Twitch aber auch YouTube hochgeladen, in denen Meinecke meist in V-Logger Manier vor seinem PC sitzt und entweder Reaction-Videos produziert oder aber auch weitere eigene Projekte bewirbt. 

 

Meineckes Ruf als ,Outdoor-Experte‘ wurde im vergangenen Jahr von Sexismus-Vorwürfen überschattet, nach dem Hochladen eines Videos, das einen degradierenden Umgang Meineckes mit einer ihm unbekannten Frau zeigt, was zu einem Rückzug von Sponsor:innen führte (vgl. Schwarzer 2022). Den Vorfall greift 7 vs. Wild – Panama scherzhaft auf, indem Meinecke in seiner Anfangsvorstellung als „Skandalnudel“ (E1, 00:15:06) betitelt wird. Dieser Verweis auf den (nicht einzigen) Sexismusvorwurf gegenüber Meinecke offenbart neben einer potenziell defensiven Haltung Meineckes, der in dem Augenblick mit einem Finger an den Lippen und aufgerissenen Augen abgebildet wird, auch den konservativen Duktus der Show. 


Kandidat „OttoBulletproof“ bewirbt seinen eigenen YouTube-Auftritt als den Kanal, „wenn es um Survival Touren, Bushcraft und Bundeswehr geht. Ich nehme euch mit auf die Reise zu den spannendsten Lehrgängen der Bundeswehr welche ich erleben durfte, mein Einsatz in Afghanistan, sowie zu Interviews aus der Truppe“ (vgl. Kanalinfo ,OttoBulletproof', aufgerufen am 19.08.2023). Neben seinen YouTube-Aktivitäten bietet der ehemalige Fallschirmjäger auf seiner Website bulletproof.de Survivaltrainings für „Extremsituationen“ (vgl. ebd.). Otto wird bei 7 vs. Wild als „Mindset-Monster“ (E1, 00:12:54) vorgestellt, und als erfahrener Kandidat gehandelt, die Erwartungen „der Community“ seien entsprechend hoch (vgl. ebd.). Die Nähe zur Bundeswehr wird als etwas Positives inszeniert, wodurch Otto ein gewisses Maß an ,Survival-Credibility‘ zukommt, gleichzeitig findet eine Überhöhung von Männlichkeit statt, indem die Erzählstimme bei der Vorstellung Ottos verkündet: „Wenn ich nicht schon einen Vater hätte, dann würde ich Otto nehmen – denken sich wahrscheinlich viele bei diesem charmanten Lächeln“ (E1, 00:12:43-00:12:48).



Screenshot aus 7 vs. Wild (Staffel 2). 


Kandidat „SaschaHuber“ baut als Fitness-YouTuber gemeinsam mit seiner Partnerin Paulina Wallner eine Art Fitness-Imperium auf und produziert Workout-Videos (bspw. „Sixpack Level 1“, „Sixpack Level 2“, „Sixpack Level 3“ etc.) sowie Challenges („Die 1000 € Liegestütze Challenge“). Neben Fitness-Content produziert Huber Reaction-Videos, sodass angenommen werden kann, dass er sich einer eigenen Fan-Community sicher ist, die nicht nur an sportlichen, sondern auch meinungsäußernden Inhalten von ihm interessiert ist. 

 

Eine YouTube-Bekanntheit, die keine Verbindung zu Survival-Inhalten aufwies, ist Jens Knossalla, genannt „Knossi“. Insbesondere auf der Plattform Twitch, wo er unter anderem Onlinepoker spielt sowie kommentiert und Talent- sowie Gameshows ausrichtet, ist Knossi mit über 2,2 Millionen Abonnent:innen im deutschsprachigen Raum äußerst bekannt. Knossis Teilnahme an 7 vs. Wild wirkt aufgrund der häufig thematisierten nicht vorhandenen körperlichen Fitness sowie Nikotinabhängigkeit auf den ersten Blick überraschend, ist aber strategisch durch seine Reichweite nachvollziehbar und kann als Versuch, eine weitere ,YouTube-Blase‘ als Publikum zu akquirieren, gewertet werden. 

 

Neben Meinecke, Otto Bulletproof, Sascha Huber und Knossi tritt „SabrinaOutdoor“ in der aktuellen Staffel als Teilnehmerin auf; auch sie wurde von Meinecke nominiert, der in einem der Vorbereitungsvideos verkündete, er hoffe „sie könne die Frauenwelt repräsentieren“ (Fritz Meinecke, 7 vs. Wild - Die Teilnehmer für Staffel 2). Sabrina hatte an diesem Punkt schon Videos gemeinsam mit Fritz Meinecke gedreht (vgl. Nicole & Sabrinas erstes mal im Wald schlafen - Hängematten Set-Up einrichten, Fritz Meinecke, 31.07.2021), das Hauptinteresse ihres YouTube-Kanals liegt analog zu Meineckes auf Outdoor-Aktivitäten, von Wanderrouten bis zum Shelterbau. 

 

YouTuberin „startletnovagenannt Nova, ist die zweite weibliche Teilnehmerin. Bekannt ist sie hauptsächlich durch V-Logs. Ihre Nominierung zu der Teilnahme von 7 vs. Wild - Panama ist dementsprechend nicht von dem von ihr geposteten Content per se ableitbar, wird von Meinecke in seinem Nominierungsprozess aber damit erklärt, dass er mit ihr geschrieben habe und sie „ja damals bei den Pfadfindern“ war (Fritz Meinecke, 7 vs. Wild - Die Teilnehmer für Staffel 2, 00:13:13). Tatsächlich relevant ist jedoch eher der Grund, den Meinecke daraufhin nennt, und zwar: „Hey, das ist doch irgendwie ganz cool; das ist jemand, der aus einer anderen Bubble kommt“ (ebd. 00:13:15). Somit kann die Nominierung Novas und ihre daraufhin erfolgte Teilnahme ebenfalls als Strategie zur Ausweitung der Reichweite verstanden werden.

 

Wildcard-Gewinner Joris, der als „Vertreter der Zuschauer“ (E1, 00:18:05) betitelt wird (YouTube-Kanal: joris_rdy), hat mit dem Posten von Videos über seinen Hauptkanal erst mit dem Bewerbungsvideo für 7 vs. Wild begonnen. Einen gewissen Grad an Bekanntheit hat Joris dementsprechend erst durch die aktive Teilnahme an Meineckes Format gewonnen, dennoch wurde er durch diesen und ,die Community‘ auserwählt, und ist so Nebenprodukt einer sich ausweitenden Marketing-Strategie, in deren Zuge Partizipation nicht nur im Sinne der Nutzer:inneneinbindung gefordert, sondern auch der Ausweitung und Bindung (dem engagement) der potentiellen Rezipient:innen dient.

                                                       

           

Heldenreisen und Fiktionalisierung

 

Die vielfältig aufgestellte Gruppe der Teilnehmer:innen weist, mit Ausnahme von ,Newcomer‘ Joris, die Gemeinsamkeit auf, dass sie den Umgang mit der Kamera und dem Publikum, beziehungsweise sogar einer Fan-Community, beherrschen und wissen, wie sie sich selbst und ihre Internet-Persona für sie ideal darstellen. Das Wissen darum, dass sich die meisten Kandidat:innen durch ihre eigenen ,Blasen‘ bereits einer gewissen Sympathie von Teilen des Publikums sicher sein können, zeigt sich mitunter im starken Kontrast des produzierten Contents. Während viele Kandidat:innen, allen voran Knossi, primär sich selbst inszenieren, dabei beispielsweise in einen eigenen Sprachduktus verfallen und davon ausgehen, dass Zuschauer:innen diesen verstehen und unterhaltsam finden, tritt Wildcard-Gewinner Joris als Gegenentwurf auf. Joris nutzt häufig eine Form der Ego-Perspektive, indem er die Kamera mit einem Headstrap am Kopf trägt und folglich seine Umgebung filmt. Hier zeigt sich, dass Joris, anders als die restlichen Kandidat:innen, nicht davon ausgeht, dass die Zuschauer:innen hauptsächlich ihn sehen wollen, sondern vielmehr sein Agieren in einer Umgebung. Besonders auffällig zeigen sich die Unterschiede in Momenten, in welchen Joris sich bewusst in Gefahr begibt, um Aufnahmen zu generieren, beispielsweise wenn er, trotz mehrfacher Sichtung eines Krokodils, ins Wasser geht mit den Worten: „Joa ich brauch ein gutes Foto, da nützt es nichts, da muss ich mit dem Krokodil tanzen gehen (E8, 00:24:40) oder wenn er bedauert, dass die Kamera nicht lief, als er hingefallen ist (vgl. E4, 00:21:45). Sascha Huber hingegen demonstriert jeden Morgen einen „Formcheck“, in dessen Zuge er die Kamera auf einer erhöhten Position platziert, um sich dann oberkörperfrei zu präsentieren, wohingegen YouTuberin Nova sich selbst überwiegend in einer Art Selfie-Perspektive filmt. 

 

Knossi, der generell weder über ausgeprägte Bushcrafting-Skills noch über eine herausstechende körperliche Fitness verfügt, zeichnet sich in erster Linie durch die Inszenierung einer eigenen Heldenreise aus. Seine ,Underdog-Rhetorik‘ zeigt sich immer wieder in ausladenden, vermeintlich reflektierenden Reden, in welchen er behauptet, er sei wie 90 Prozent der Leute (vgl. E3, 00:22:30), sowie in permanenter Gefahrenüberhöhung („Das war eine Nahtod-Erfahrung“, E2, 00:01:16) und dem Herausstellen der biographischen Bedeutung für ihn („Das ist die Erfahrung meines Lebens“, E2, 00:01:14; E7, 00:10:50). Diese konstruierte Heldenreise basiert auf der Annahme eines ,starken Mindsets‘, wodurch Knossi als Kandidat nahbar erscheint und gleichzeitig Identifikationspotenzial für die Zuschauer:innen bietet („Ich habe eine unglaubliche Willenskraft, E9:00:50:00). Diese Lesart wird auch durch die Serie nahegelegt, wenn beispielsweise Erfolgsmomente in der Post-Production überinszeniert werden (vgl. E3, 00:50:00; Knossi zündet sein erstes Feuer an, dazu wird Musik eingespielt, deren Text besagt „Du bist unser Held“). Auch Fitness-YouTuber Sascha Huber bedient sich einer Rhetorik, die sich primär um Willenskraft und Durchhaltevermögen dreht, wobei er wiederholt auf sich und seine hochgeladenen Videos verweist („No fucking excuses! Genauso wie in den Workouts, E5, 00:30:10). Dabei wird immer wieder betont, wie wichtig es sei, durchzuhalten, zu ,kämpfen‘, und dabei den eigenen Körper zu überwinden, was neoliberaler Ratgeberrhetorik entspricht. Die Suggestion, es sei möglich, trotz aller Nachteile, ein Projekt wie 7 vs. Wild rein durch Willenskraft und Durchhaltevermögen zu meistern, zeigt eine Form der Selbstüberhöhung, um sich in einem Wettbewerbskonstrukt hervorzuheben und dient der Promotion der eigenen Kanäle der Teilnehmer:innen. 



Screenshots aus 7 vs. Wild (Staffel 2). 

Das Erzählen einer eigenen Heldenreise ist eingebettet in eine noch weitreichendere Fiktionalisierung von Geschehnissen sowie der Umgebung als solcher. Entsprechende Verweise der Kandidat:innen beziehen sich primär auf moderne Unterhaltungsmedien wie beispielsweise Videospiele und Spielfilme. Als Kandidatin Nova einen Helm an ihrem Strandabschnitt findet, setzt sie diesen beispielsweise mit den Worten „Ich hab so geilen Loot hier“ (E2, 00:19:06) auf und referenziert damit Gamingkultur, genau wie Knossi, als er die Veränderung der Gezeiten mit „Irgendwas hat sich umprogrammiert“ kommentiert (E14, 00:24:50). Das Hineindenken der eigenen Person in einen übergeordneten fiktionalen Rahmen wie ein Videospiel, bildet ein wiederholtes Muster, welches einerseits die popkulturelle Prägung der Kandidat:innen zeigt, andererseits in gewisser Hinsicht die Entfremdung der eigenen Person im konstruierten Survival-Szenario spiegelt. Das Aufgreifen von Popkultur zeigt sich darüber hinaus an mehreren Stellen, insbesondere durch das Ziehen von Vergleichen zu fiktiven Persönlichkeiten und/oder Szenarien: So behauptet Knossi, er würde sich jeden Tag fragen, „was würde Rambo tun“ (vgl. E7, 00:57:25) und die selbstgebastelten Bögen der Teilnehmer:innen werden mit Tribute von Panem in Verbindung gebracht (vgl. E5, 00:51:03). 

 

 

Produktion, Distribution und Vermarktung (Meineckes Franchise)

 

Die Produktion der ersten Staffel ging weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit von statten, wohingegen die Vorbereitungsprozesse für die zweite Staffel umfassenden Content hervorbrachten, der von Meinecke teils auf Twitch, teils auf YouTube oder gepaart auf beiden Plattformen veröffentlicht wurde. Hierzu gehören unter anderem die Playlist „7 vs. Wild - Staffel 2 - Infos“ mit insgesamt 143 Videos, bestehend aus aufgezeichneten Live-Streams oder Reaction-Videos von Meinecke, sowie die multimediale Verlinkung der anderen YouTuber:innen, die ihrerseits wiederum auf Nominierungen und/oder Vorbereitungen reagierten, diese kommentierten, zu Diskussionen der Zuschauer:innen anregten sowie über Reaction-Videos miteinander in Austausch traten. Die daraus entstehenden, schier unendlichen Verknüpfungen der Kandidat:innen untereinander erzeugen eine kaum zu überblickende Menge von (Onlinevideo-)Content, der sich nicht nur auf Plattformen YouTube und Twitch abspielt, sondern auch auf Instagram, Twitter etc.

 

Die Verlagerung der Planungsprozesse in den öffentlichen Raum kann als Versuch der Zuschauer:innenbindung sowie -einbeziehung gewertet werden, die dem Publikum das Gefühl vermittelt, nicht passiv zu konsumieren, sondern aktiv mit zu produzieren und an Entscheidungsprozessen teilzuhaben. Felix Brinker (2022, 3) spricht bezogen auf Superheld:innen-Franchises von politics of engagement und schreibt: „This digital-era culture industry has replaced the once-prominent idea of the passive consumer with an ideology that – like the academic discourse on participatory culture” – frames culturally productive and socially networked media users as the most important recipients of commercial entertainment“. Brinker beschreibt hier eine crossmediale Bewerbung der Inhalte sowie ein transmediales Storytelling, innerhalb dessen sich Fandiskurse sowie Communities bilden bzw. ihr Bilden forciert wird.  Die politics of engagement (vgl. Brinker 2022, 12) umfassen folglich alle Formen textueller sowie paratextueller Inhalte, die das Publikum zum intensiven Konsum des medialen Produkts anregen soll.


Die im Vorfeld der zweiten Staffel veröffentlichten Videos geben Informationen, deren Kenntnis zum Teil in der Serie selbst vorausgesetzt wird. Es wird davon ausgegangen, dass die Zuschauer:innen bereits mit Kandidat:innen sowie zuvor beschlossenen Entscheidungen vertraut sind, was die Trennung von Hauptserie (Text) und zusätzlichem Content (Paratext) zum Teil unscharf werden lässt. So wird beispielsweise das interne Ranking der Kandidat:innen und ihrer ,Skill-Levels‘ mitsamt Entscheidung, wer wie viele Gegenstände bei sich haben darf, nicht ausgeführt (vgl. E2, 00:01:57) und Meinecke erläutert Entscheidungsprozesse teils nur noch beiläufig mit dem Zusatz: „Ihr wart im Stream mit dabei“ (E11, 00:01:10). Aufgrund des großen Umfangs hochgeladener Inhalte, wie beispielsweise Reaction-Videos der Teilnehmer:innen sowie Uncut-Videos aller Kandidat:innen und einer eigens produzierten Behind-the-Scenes Serie, kann eine engere Publikumsbindung erreicht werden. Es wird immer wieder neuer Content produziert, der das Interesse der Zuschauer:innen anregen und diese so bis zur nächsten Staffel einbinden soll. Dieses Merkmal eines Franchise-Gedanken zeigt sich auch in der indirekten Aufforderung an die Rezipient:innen, nach mehr Inhalten zu suchen, indem beispielsweise für den BW Online Shop von Meinecke geworben wird, mit dem Hinweis, auf deren Seite gebe es noch Zusatzinfos zu der Staffel und der verwendeten Ausrüstung (vgl. E3, 00:00:21). Analog dazu lässt sich auch die erste Tageschallenge der Serie verorten: In dieser werden die Teilnehmer:innen aufgefordert, über den gesamten Zeitraum ein „Mitbringsel für die Familie“ (E3, 00:07:30) anzufertigen, welches dann an die Community verlost werden soll. Das Basteln von eigenem Merchandise (mit Unikat-Charakter) zeigt die Hinwendung zu einem Fan-Service und eine Abwendung vom Fokus auf den Survival-Aspekt der Serie. 

 

 

Der ,Survival-Aspekt‘

 

Fritz Meinecke erlangte mit der Webserie eine unglaublich hohe Reichweite im deutschsprachigen Raum. Als Hauptorganisator und somit -verantwortlicher für Beliebtheit und Erfolg der Serie ist auffällig, dass im Verlauf der zweiten Staffel Meineckes starke Euphorie einer Art Lethargie sowie Enttäuschung weicht („Ich bin wie immer offen und ehrlich mit euch. Ich hab grad ein richtiges Down. […] Ich hass es grad. Ich finds nicht geil., E5, 01:14:07). Dramaturgische und thematische Kernpunkte der ersten Staffel (und weitestgehend des Survival-Genres, vgl. Champion 2016, 240) bestanden im Dokumentieren von Shelterbau, Nahrungssuche und dem Umgang mit Herausforderungen, wobei Formaten wie diesen eine nach außen gekehrte Selbstreflexion und Rhetorik des Über-Sich-Selbst-Hinauswachsen inhärent ist. Insgesamt lässt sich im Verlauf der zweiten Staffel allerdings eine deutliche Abkehr von diesen typischen Survival-Aspekten finden. Ein Grund dafür kann der Pool der Teilnehmer:innen sein, ein anderer der ausgewählte Ort. Die Strandabschnitte, an denen sich die Kandidat:innen jeweils befinden, sind mit Plastikmüll überschüttet, der vom Wasser angespült wurde. Die Optik der Insel und folglich auch die Ästhetik der Serie wird merklich von diesem Defizit geprägt, insbesondere da Survival-Shows sich meist um menschenentleerte, unwirtliche Orte drehen (vgl. Graves 2013, 2) und der Müll als solcher auf eine von Konsum geprägte, unweit entfernte Zivilisation hinweist. Die Illusion der Abgeschiedenheit sowie der Verzicht auf menschengeformte Hilfsmittel scheitert hier zum Teil, wenn die Teilnehmer:innen für sie nützliche Utensilien aus dem Müll sammeln, beispielsweise baut sich Otto ein Bett aus alten Badelatschen (vgl. E8, 00:47:10). 


Screenshot aus 7 vs. Wild (Staffel 2). 

 

Ähnlich wie Meinecke, der den Müll wiederholt kritisiert und sagt, er habe sich das anders vorgestellt (vgl. E5, 01:14:17), zeigen auch die anderen Teilnehmer:innen in unterschiedlichem Maße Bestürzung diesbezüglich. Insbesondere Ottos Handeln scheint stark durch den Müll eingeschränkt zu sein, da er anführt, er habe sich eigentlich ein zweistöckiges Shelter bauen wollen, er fühle es aber nicht, weil „hier überall Müll rumliegt“ (E10, 00:19:30). Die Tätigkeiten der Kandidat:innen werden dementsprechend von ihrer Umgebung beeinflusst, und ein ,Wilderness‘-Charakter will sich nicht einstellen. Vielmehr wirkt der Ort als Survival-Setting ungeeignet und die Teilnehmer:innen deplatziert. 



Anmerkungen

 

Dass es eine dritte Staffel geben wird, wurde bereits im April 2023 von Meinecke verkündigt (vgl. 7 vs. Wild - Staffel 3 | Es ist offiziell, Kanal Fritz Meinecke – Live, 16.04.23). Diese befindet sich derzeit in der aktiven Produktion, online sind bereits diverse Informationen zu finden, beispielsweise in der dazugehörigen Playlist von Meinecke, welche aktuell bereits 73 Videos zu Abläufen und Nominierungsprozessen aufweist (Stand 21.08.2023). Die Staffel selbst wird in Kanada gedreht und, anders als in den vorherigen beiden, dieses Mal treten die Kandidat:innen in Zweier-Teams gegeneinander an. Die Veröffentlichung der dritten Staffel wird sukzessive von November bis Dezember 2023 stattfinden.

 

 

Angaben

 

Staffeln: 2
Episoden: 16

Episodenlänge: zwischen 27 und 102 Minuten 
Erscheinungsrhythmus: zweimal die Woche

Zuerst gezeigt auf: YouTube
Idee: Fritz Meinecke
Produktion: Fritz Meinecke, Johannes Hovekamp, Maximilian Kovacs
Produktionsland: Deutschland/Panama
Jahr: 2023
Sprache: deutsch
Genre: Dokuserie/Survival-Show

 

 

Quellen


Brinker, Felix (2022): Superhero Blockbusters: Seriality and Politics. Edinburgh: Edinburgh University Press.

Champion, Jared (2016): “Survivor shows and caveman masculinity.” In: The Popular Culture Studies Journal, vol. 4., no. 1/2, S. 240-258.

Graves, Richard (2013): Bushcraft: The Ultimate Guide to Survival in the WildernessNew York: Simon and Schuster.

Schwarzer, Matthias (2022): „Dunkle Wolken über dem Survival-Camp“, In: RedaktionsNetzwerk Deutschland  (online, aufrufbar unter: https://www.rnd.de/medien/7-vs-wild-werbepartner-beendet-zusammenarbeit-mit-youtuber-fritz-meinecke-DODHVSKZENB5LEP7F66UEPIHKI.html, letzter Zugriff: 21.08.2023). 

 

 


(Nele Riepshoff, 21.08.2023)