Drinnen - Im Internet sind alle gleich
Die hypochondrisch veranlagte Charlotte Thielemann befindet sich in selbstgewählter Corona-Quarantäne und verbringt zwei Wochen weitgehend alleine im Homeoffice vor dem MacBook. In dieser Situation entgrenzter Arbeits- und Privatsphäre versucht die 35-jährige Werbeagentin mittels digitaler Kommunikationskanäle stellvertretend für ihre tatsächlich an Covid-19 erkrankte Chefin eine Firma zu leiten, ihren vergleichsweise sorglosen Eltern und ihrer Schwester Constanze ins Gewissen zu reden und sich ihren Ehemann Markus vom Leib zu halten, da sie bereits seit Längerem intensiv über die Scheidung nachdenkt. Um den schlimmsten Lagerkoller zu verhindern, flirtet Charlotte nebenher mit Tinder-Matches und tauscht mit ihrer besten Freundin Lisa Videonachrichten aus. Parallel dazu verarbeitet sie außerdem den Unfalltod ihrer jüngeren Schwester Clara, der sie täglich Sprachnachrichten an ihren WhatsApp-Account schickt.
Genre
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Abbildung: Screenshot aus Drinnen. Im Internet sind alle gleich. |
Interfaces. Drinnen verzichtet ob der Quarantäne-Thematik dabei weitgehend auf Dialogsequenzen, die außerhalb digitaler Kommunikationskanäle stattfinden, sodass die Figuren der Serie im Wesentlichen im Videochat oder durch Textnachrichten repräsentiert und charakterisiert werden und dabei – mit Ausnahme von Charlottes Ehemann, der in Episode 11 heimkehrt – allenfalls als Bild (Videochatfenster) im Bild (Desktop) auftreten.
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Abbildung: Screenshot aus Drinnen. Im Internet sind alle gleich. |
„Bloß, weil wir ständig erreichbar sind, heißt das noch längst nicht, dass wir ständig verfügbar sein müssen [...]. FOMO, alle haben Angst, was zu verpassen, alles muss sofort sein, alles muss verfügbar sein, alles muss kostenlos sein, denn wir bezahlen mit unserer Zeit, mit der Zeit unserer Freunde, mit der Zeit unserer Familie, aber das macht ja nichts, wir haben ja neue Freunde, ganz viele, ganz tolle neue Freunde. Wir feuern mit ollautomatischen Triggerfingern Herzen direkt auf ihre Hypophyse, damit die Endorphine zwischen den Rezeptoren nur so hin- und herschießen […], aber ganz ehrlich, wen interessiert diese ganze Scheiße eigentlich?“ (E15, 09:08).
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Abbildungen: Screenshots aus Drinnen. Im Internet sind alle gleich.
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Die Protagonistin Charlotte wendet sich hier durch die Vierte Wand an die
extradiegetischen Zuschauer*innen, visuell immer wieder unterbrochen von einer
Montagesequenz, die unter anderem im Zeitraffer Symbolbilder der digitalen Mediennutzung und der angemahnten ,allgegenwärtigen Verfügbarkeit‘ demonstriert, teilweise mit Rückgriff auf neurobiologische Bildsprachen und Erklärmuster. Diese rücken die Mechanismen Sozialer-Medien-Nutzung einerseits in die Nähe von Drogenmissbrauch und erinnern andererseits an die idealisierte Selfie-Ästhetik von Stockphotos. Beides hat die beteiligte Produktionsfirma btf (bildundtonfabrik) bereits in ihrer Netflix-Serie How To Sell Drugs Online (Fast) implementiert.
Themen
Die selbstverständliche Omnipräsenz von Kamera- und Audioaufnahmetechnik – mittels derer die vermeintlich authentischen Aufnahmen entstehen, aus denen die Webserie größtenteils besteht – eröffnet zudem einen Überwachungsdiskurs. Die Zuschauerposition ist dabei tendenziell eine voyeuristische, und die Einsehbarkeit durch die vermeintlich ausgeschaltete Webcam knüpft an die verbreitete Sorge an, durch diese potenziell immer – auch in privaten Situationen – beobachtet werden zu können. In diesem Kontext werden abermals die in intimste Lebensbereiche vorgedrungenen digitalen Technologien zur Disposition gestellt, etwa wenn Charlotte den Raum verlässt, um zu masturbieren, und den Amazon-Sprachassistenten Alexa routiniert anweist, romantische Musik zu spielen, oder wenn suggeriert wird, dass ihr Ehemann Markus womöglich homo- oder bisexuell ist, da dieser vor dem MacBook sitzend heimlich Schwulenpornos ansieht.
Produktionsbedingungen
Angaben
Episoden: 15
Episodenlänge: 10 Minuten
Erscheinungsrhythmus: unregelmäßig, ein bis drei Tage Zuerst gezeigt auf: ZDF-Mediathek
Regie: Lutz Heineking Jr.
Produktion: btf GmBH (bildundtonfabrik) und eitelsonnenschein im Auftrag von ZDFneo
Autor*innen: Max Bierhals, Tarkan Bagci, Patrick Stenzel, Giulia Becker
Jahr: 2020
Genre: Comedy
Abrufbar unter:
https://www.zdf.de/serien/drinnen-im-internet-sind-alle-gleich (Zugriff: 30.05.2020).
Forschungsliteratur
http://www.rabbiteye.de/2010/1/kuhn_erzaehlen_im_internet.pdf (Zugriff: 30.05.2020).
Sonstige Quellen
Homepage der Produktionsfirma btf GmbH (bildundtonfabrik): Portfolio. https://btf.de/portfolio/drinnen-im-internet-sind-alle-gleich/ (Zugriff: 30.05.2020).
Bundesregierung.de (22.03.2020) Bundesbeschluss zur „Erweiterung der beschlossenen Leitlinien zur Beschränkung sozialer Kontakte. Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder“. https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/besprechung-der-bundeskanzlerin-mit-den-regierungschefinnen-und-regierungschefs-der-laender-1733248 (Zugriff: 01.06.2020).
ZDF-Presseportal-Mitteilung (03.04.2020) „ZDFneo startet aktuelle Serie "Drinnen – Im Internet sind alle gleich" neorginal: Comedy und Liebe in Serie – trotz Kontaktbeschränkungen.“ https://presseportal.zdf.de/pressemitteilung/mitteilung/zdfneo-startet-aktuelle-serie-drinnen-im-internet-sind-alle-gleich/ (Zugriff: 01.06.2020).
(Martha-Lotta Körber, 12.06.2020)