STABIL


 von Henriette Cromm

 

STABIL ist eine TikTok-Serie von Schweizer Studierenden, die sich in fiktionalen und dokumentarischen Folgen mit dem Thema Social Anxiety auseinandersetzt. In den fiktionalen Folgen, die unter dem Titel Stabil. Serie veröffentlicht wurden, steht der alltägliche Widerstreit zwischen dem Wunsch nach sozialem Anschluss und sozialen Ängsten der Protagonistin Sam im Zentrum, welcher neuen Freundschaften oder potenziellen Partnerschaften zunächst im Weg zu stehen scheint. In den drei dokumentarischen Folgen, die unter dem Titel Stabil Doc. veröffentlicht wurden, berichten drei Betroffene und eine Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie über soziale Ängste und ihre Implikationen.




Themen und Ästhetik

Die fiktionalen Folgen der ersten und bisher einzigen Staffel der Serie handeln von der Protagonistin Sam und ihrem Empfinden von Alltagssituationen mit Social Anxiety. Menschenmassen würde sie am liebsten meiden, fürchtet jedoch auch die soziale Isolation. Als sie von ihrem Bekannten Jan kontaktiert wird, der sich mit ihr treffen möchte und noch nichts von ihrer Diagnose weiß, überwindet Sam sich und lässt sich darauf ein, sodass sich schließlich eine Freundschaft und gegebenenfalls eine Vorstufe zu einer Partnerschaft entwickelt. Ihr Kennenlernen ist von einigen Schwierigkeiten geprägt, denn Sam kann sich ihm gegenüber zunächst nur schwer öffnen, da ihre Scham und ihre Angst vor der Verurteilung durch andere sie hemmen. So kommt es zu einigen Konflikten und Missverständnissen zwischen ihr und Jan, aber auch zwischen ihr und ihrer Mitbewohnerin Sofia. Die damit einhergehende Auseinandersetzung der Protagonistin mit sich selbst und ihren sozialen Ängsten bildet den thematischen Fokus und wird ästhetisch markant inszeniert.

„Der Moment, in dem du das Gefühl hast, dass du alles verpasst.“ Mit diesen direkt an die Zuschauer:innen der Serie gerichteten Worten der Protagonistin beginnt die erste fiktionale Folge der Webserie STABIL. Sam befindet sich in ihrem WG-Zimmer und blickt direkt in die Kamera. Darauf folgt ein Wechsel zu einem inneren Monolog, welcher als Voice-Over zu hören ist: „Du wirst nie ein Teil vom grossen [sic!] Ganzen sein. Du hast Angst vor dem Alleinsein, aber noch viel mehr Angst vor dem Dazugehören. Es ist ein ständiges Wechselspiel zwischen FOMO und Anxiety.“

Durch den Bruch der Vierten Wand und den Gebrauch der auf Instagram und TikTok formelhaft verwendeten Phrase „Der Moment, wenn…“ – oder der meist im englischsprachigen Raum gebrauchten Alternative „PoV: …“ (Point-of-View) –, wird Social Media-spezifischer Content zitiert, der Alltagssituationen mittels eines Kurzvideos illustriert. Dabei wird die jeweilige Situation nicht ‚objektiv‘ dargestellt, sondern an das subjektive Empfinden einer Person angepasst, welches bestenfalls auch jenem Empfinden der Rezipient:innen entspricht. Bei vielen Clips dieser Art auf Instagram und TikTok handelt es sich um banale Alltagsmomente, die komödiantisch überspitzt werden. Es gibt jedoch darüber hinaus eine Vielzahl entsprechender Kurzvideos, die sich auf Depressionen, Social Anxiety oder andere psychische Erkrankungen beziehen. Teils ist festzustellen, dass Begriffe, die sich auf mentale Gesundheit beziehen (wie z.B. ‚Anxiety‘, ‚Trauma‘ oder ‚Trigger‘) unabhängig von tatsächlich diagnostizierten psychischen Erkrankungen als Alltagsbegriffe verwendet oder zu kommerziellen Zwecken genutzt werden. Zwar gibt es Psycholog:innen, die in Sozialen Medien über psychische Probleme aufklären, aber auch Influencer:innen, die keine professionelle Ausbildung vorweisen können und dennoch Selbsttests posten oder Kurse zur Bewältigung psychischer Erkrankungen anbieten.

Die Produzent:innen der Webserie STABIL haben sich durch dokumentarische Folgen, in denen Betroffene und eine Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie zu Wort kommen, und den Verweis auf ein Hilfsangebot, das auf ihrer Website zu finden ist (s. Produktion, Distribution und Vermarktung), von solch problematischen Verwendungen abgegrenzt, knüpfen jedoch jenseits der Folgen an Content dieser heterogenen Bewegung an (s. ebd.). Ob oder inwiefern Psycholog:innen und Betroffene gegebenenfalls an der Entwicklung und Umsetzung der fiktionalen Folgen beteiligt gewesen sind, wurde bisher nicht offengelegt. Das erklärte Bestreben der Studierenden, das ebenfalls auf der Website der Serie zu finden ist, „Bewusstsein für Social Anxiety zu schaffen und Berührungsängste im Umgang mit psychischen Erkrankungen abzubauen“, ist anhand des genannten Vorgehens jedoch sichtbar.

Jenseits dieses Diskurses könnte der Bruch der Vierten Wand und die Verwendung der Formel „Der Moment, wenn…“, die in jeder Folge einmal durch eine der Figuren stattfindet, auf das Etablieren von vermeintlich extradiegetischen Influencer:innenfiguren hinweisen. Jedoch sind sowohl im Verlauf der ersten als auch der weiteren Folgen und im Zuge der medialen Einbettung keine Hinweise auf eine solche metaleptische Dimension festzustellen. Die Figuren besitzen keine eigenen TikTok- oder Instagram-Accounts und regen keine Interaktion mit intra- oder extradiegetischen Rezipient:innen an, die zu einer Konfusion der diegetischen Ebenen führen könnte. Vielmehr scheinen diese kurzen Momente an Sehgewohnheiten der Rezipient:innen in Sozialen Medien anzuschließen, die den Gebrauch des Satzanfangs „Der Moment, wenn…“ als Marker für die Darstellung eines subjektiven Empfindens erkennen.

Das Veranschaulichen dieses subjektiven Empfindens der Protagonistin findet auf unterschiedliche Weise statt. In herausfordernden Momenten, aber auch in Alltagssituationen, wird ein symbolischer Raum genutzt, in dem Sam ihre Gedanken und Gefühle entweder direkt ausspricht oder ihre innere Auseinandersetzung visualisiert wird. Es handelt sich um einen dunklen Raum ohne sichtbare feste Wände, Fenster oder Türen, der durch rotes Licht beleuchtet wird. In diesem Raum ist Sam zu sehen, wie sie in Anbetracht einer aufwühlenden Situation zum Beispiel unruhig auf dem Boden sitzt oder sich die Haare rauft (s. Abb. 1). Sichtbar begrenzt wird der Raum lediglich zu einer Seite hin durch eine flexible Membran, die beispielsweise sichtbar wird, wenn Hände durch diese hindurch nach Sam greifen und sie festhalten (s. Abb. 2). In der letzten Folge der Staffel ist zudem ein Gesicht zu sehen (s. Abb. 3), das sich langsam zurückzieht und schließlich verschwindet, als Sam einen Abend mit Jan bei einem Konzert verbringen kann, ohne dass sie Unverständnis seinerseits oder Triggermomente durch die Menschenmenge fürchten muss. In diesem ‚inneren Raum‘ geht die Protagonistin außerdem in den Dialog mit sich und ihrer Angst. In Folge 5 spricht sie beispielsweise aus Wut in Richtung der Membran, aus deren Griff sie sich zuvor losgerissen hat. Wirkungsvoll scheint jedoch nur die Kommunikation mit der Außenwelt zu sein, denn es sind das Gespräch mit ihrer Mitbewohnerin Sofia und die ungestörte Aussprache mit Jan, zu der ihre Mitbewohnerin sie ermutigt hat, die zu einer Entspannung und gegenseitigem Verständnis führen. Diese Aussprache findet ebenfalls in einem besonderen Raum statt. Beide treffen sich in Folge 6 in Sams Dunkelkammer, durch die visuell der ‚innere Raum‘ Sams zitiert wird (s. Abb. 4). Hierbei handelt es sich zwar um einen innerhalb der Diegese tatsächlich physisch existenten und sichtbar begrenzten Raum, doch auch dieser ist ausschließlich mit rotem Licht beleuchtet. Sam zieht die Parallele ebenfalls und erklärt Jan durch den Vergleich beider Räume ihr Empfinden der sozialen Ängste.

 

Abb. 1-4: Screenshots aus Stabil.Serie (E1; E5; E7; E6).
 

Neben der Darstellung des inneren Konflikts Sams durch den ‚inneren Raum‘, werden weitere inszenatorische Mittel verwendet, um das subjektive Empfinden der Protagonistin zugänglich werden zu lassen. Kurz bevor Sam bei einem Treffen mit Jan in einer Bar eine Panikattacke erleidet, weil unerwartet mehrere Freunde Jans hinzukommen, werden Triggermomente durch eine interne Aurikularisierung für Rezipient:innen herausgestellt. So ist Sams immer schneller werdender Herzschlag in Folge 2 laut zu hören, als die Freunde von Jan Sam auf die Schulter fassen (s. Abb. 5,6), sich zu den beiden setzen und laute Gespräche beginnen. Die Stimmen der Anwesenden sind dabei gedämpfter zu hören. Darüber hinaus werden in Folge 3, die nahtlos an die Situation am Ende der zweiten fiktionalen Folge anschließt, Close-Ups von Kleinigkeiten wie dem Verrücken von Stühlen, dem Drehen einer Kette zwischen den Fingern oder dem Abwaschen und Einsortieren von Gläsern gezeigt, die Sam in diesem Moment besonders intensiv wahrnimmt, während auch die Geräusche, die dabei verursacht werden, deutlich lauter zu hören sind. In einer erhöhten Schnittfrequenz ist Sam abwechselnd in der Bar und in ihrem ‚inneren Raum‘ zu sehen. Die gedämpften Stimmen scheinen Sam, die zunehmend erstarrt, schließlich nicht mehr zu erreichen. Nachdem ein Freund von Jan Sam direkt anspricht, was mittels eines Point-of-View-Shots gezeigt wird, wird ihre Panik durch ein grelles gelbes Licht im Bauchraum unter ihrem Pullover signalisiert, das sich später über den ganzen Oberkörper ausbreitet und nicht nur in ihrem ‚inneren Raum‘, sondern auch in der intradiegetischen ‚Wirklichkeit‘ sichtbar ist, von ihrem Umfeld jedoch nicht wahrgenommen wird (s. Abb. 7,8). Gleichzeitig sind immer hektischer werdende Atemgeräusche zu hören und die Schnittfrequenz steigert sich, bis Sam schließlich aus der Situation flieht und eine Panikattacke im Toilettenraum der Bar erleidet.

 

Abb. 5-8: Screenshots aus Stabil.Serie (E2; E3).

 

Der markante Einsatz von Licht setzt sich auch in den weiteren innerhalb der Diegese physisch existenten Räumen fort. Da die Handlung meist in geschlossenen Räumen und zudem abends oder nachts stattfindet, wird fast ausschließlich künstliches Licht verwendet. Zumeist ist dies rot, blau oder gelegentlich gelb. Auch abseits des ‚inneren Raumes‘ der Protagonistin dient rotes Licht oftmals zur Visualisierung ihrer Ängste, während blaues Licht einen Gegenpol bildet. Das blaue Licht wird am prägnantesten verwendet, als Sam und Jan in der letzten Folge gemeinsam ein Konzert besuchen. Während Sam in der Menge steht und noch verunsichert ob der vielen Menschen zu sein scheint, wechseln sich rotes und blaues Licht ab und Sam muss die Situation kurz allein bewältigen, während Jan Getränke für beide holt (s. Abb. 9). Erst als beide das Konzert schließlich vom hinteren Teil des Raumes aus verfolgen, wirkt Sam gelassen und glücklich und wird ausschließlich in blauem Licht gezeigt (s. Abb. 10). Auch in ihrem ‚inneren Raum‘ ist sie daraufhin friedlich zu sehen (s. Abb. 11). Ein Gesicht, dessen Abdruck durch die Membran zu sehen ist, zieht sich zurück, und an die Stelle, an der es verschwand, hängt Sam ein Foto von sich und Jan bei dem Konzert (s. Abb. 12). Beklemmende Gefühle und Angstzustände sowie Momente der Entspannung werden folglich durch den gezielten Einsatz von Licht herausgestellt. Insgesamt wird die Sozialphobie und subjektive Wahrnehmung der Protagonistin demnach mithilfe von interner Aurikularisierung, durch den Einsatz von Licht sowie der Auseinandersetzung in einem symbolisch die inneren Zustände der Protagonistin veranschaulichenden Raum für Rezipient:innen greifbarer gemacht.

 

Abb. 9-12: Screenshots aus Stabil.Serie (E7).

 

Als ein unterstützendes Instrument für den Umgang mit sozialen Ängsten werden in der Serie Soziale Medien etabliert. Diese Formen der digitalen Interaktion scheinen der Protagonistin zu helfen, kurze Momente der Risikobereitschaft niedrigschwellig und aus einem sicheren Bereich heraus nutzen zu können (s. Abb. 13,14). Auch dem Umfeld von Sam verhilft der digitale Raum zu einer besseren Verständigung: Es wird gezeigt, dass sich Sams Bekannter Jan in der sechsten Folge nach der Vereinbarung eines erneuten Gesprächs auf verschiedenen Websites über „Social Anxiety“ informiert. Die Suche auf dem Smartphone wird für Rezipient:innen durch Einblendungen sichtbar gemacht (s. Abb. 15,16). Zuletzt stößt Jan auf Folge 1 der Stabil Doc., die er sich auf YouTube ansieht. Dieses metaleptische Element provoziert jedoch kein Infragestellen der Grenzen zwischen den diegetischen Ebenen, sondern unterstreicht vielmehr das Anliegen der Produzent:innen, die, wie bereits erwähnt, angeben, „Bewusstsein für Social Anxiety […] schaffen [zu wollen] und Berührungsängste im Umgang mit psychischen Erkrankungen [abbauen zu wollen]“ (stabilserie.ch). Die Integration der dokumentarischen Folge dient vielmehr dazu, einen konkreten Zweck der dokumentarischen Folgen zu illustrieren: Wer von sozialen Ängsten von Freund:innen oder Bekannten erfährt, dem/der sollen hier Berichte von Betroffenen selbst und eine professionelle Einordnung zugänglich gemacht werden, sodass gegebenenfalls ein besseres Verständnis ermöglicht wird.

 

Abb. 13-16: Screenshots aus Stabil.Serie (E1; E6).

 

Eine weitere ästhetische Auffälligkeit stellt die Integration der Folgennummern in den fiktionalen Episoden von STABIL dar. Diese findet nicht mittels der Einblendung eines extradiegetischen Schriftzuges statt, sondern erfolgt stets durch die Platzierung innerhalb der Mise-en-Scène. So ist das Cover eines Buches in Sams Zimmer mit dem Logo der Serie und dem Schriftzug „Folge 1“ bedruckt, Folge 2 wird durch ein Graffiti auf dem Boden angekündigt, auf dem Sam eine Zigarette ausdrückt, oder Folge 7 wird durch ein entsprechend beschriftetes Shirt eines Freundes von Jan markiert. Auch in diesem Fall führt das metaleptische Element beziehungsweise diese Form der Selbstreferenzialität nicht zu einer Konfusion der diegetischen Ebenen, sondern unterstreicht vielmehr den Status der Serie als fiktionales Produkt.

 

 Genre 

Auf der Homepage der Serie selbst wird STABIL als Coming-of-Age-Geschichte bezeichnet. Coming-of-Age-Filme und -Serien können als eine Subkategorie des Jugendfilms beziehungsweise der Jugendserie verstanden werden, welche definitorisch schwer zu fassen sind und sowohl Julia Schumacher als auch Frank Münschke zufolge weiterer Forschung bedürfen (vgl. Schumacher 2013, 309, 297; Münschke 2023 [2018], 1, 2, 5). Eine Einordnung der Webserie als Jugendserie und Coming-of-Age-Geschichte scheint dennoch durchaus zutreffend zu sein, nicht nur aufgrund der Verhandlung jugendlicher Lebenswelten und der infolge der Veröffentlichungsplattform TikTok implizit erreichten jungen Adressat:innen, sondern auch aufgrund des angedeuteten Liebesplots, der Verhandlung sozialer Außenseiterpositionen, Freundschaften, Misserfolgen, dem Überschreiten von persönlichen Grenzen und des daraus resultierenden Entwicklungsprozesses der Protagonistin (vgl. Schumacher 2013, 296f., 306, 309, 310f.; Münschke 2023 [2018], 1–4, 5f). Zwar wird das Alter der Figuren nicht explizit genannt und sie bewegen sich nicht in Räumen wie Schulen oder Universitäten, welche genauere Rückschlüsse zulassen würden, jedoch werden Bars und Konzerte selbstverständlich besucht, ohne dass kontrollierende Instanzen gefürchtet werden. Dass Sam in einer Wohngemeinschaft lebt und der gezeigte Lebensstil nur schwer mit einer geregelten Arbeitswoche zu vereinen wäre, könnte darauf hinweisen, dass Sam sich im Studium befindet, sodass sie und ihr Umfeld als junge Erwachsene noch immer einer jugendlichen Lebenswelt zugeordnet werden können. Darüber hinaus sind Medien über und für ein jugendliches Publikum so dynamisch wie die Zielgruppe selbst, wodurch thematische Schwerpunkte je nach der zeitlichen Verortung einer Produktion unterschiedlich sein können (vgl. Schumacher 2013, 310; Münschke 2023 [2018], 6). Mentale Gesundheit spielt aktuell nicht nur in den Sozialen Medien (s. Themen und Ästhetik und s. Produktion, Distribution und Vermarktung), sondern in auffallend vielen populären Jugendserien der 2010er- und beginnenden 2020er-Jahre – wie Euphoria (Sam Levinson, US 2019-), Skam oder Druck – eine exponierte Rolle. Die Serien korrespondieren mit einer Studienlage, die seit einigen Jahren eine Zunahme psychischer Erkrankungen auch und insbesondere bei jungen Erwachsenen in spätmodernen postindustriellen Gesellschaften dokumentiert. Diese durch audiovisuelle Produkte gespiegelte Realität könnte in einigen Jahren rückblickend betrachtet als Teil einer größeren Tendenz im CoA-Genre ausgemacht werden. STABIL würde in diesem Fall durch die Verhandlung von Social Anxiety ein weiteres, dynamisches Kriterium erfüllen.

 

Stabil Doc.

Begleitet werden die fiktionalen Folgen der Serie (Stabil. Serie) von drei faktualen Folgen (Stabil Doc.). Kurze Ausschnitte aus diesen Episoden wurden zwischen den fiktionalen auf TikTok veröffentlicht, während die Langversionen bereits vor der Veröffentlichung des Trailers und den fiktionalen Episoden auf dem YouTube-Kanal des Studiengangs „Cast / Audiovisual Media“ hochgeladen wurden. Zu erklären ist diese vorzeitige Veröffentlichung wahrscheinlich durch die Integration der ersten dokumentarischen Folge in Folge 6 von Stabil. Serie, in der die erste Folge von Stabil Doc. auf einem intradiegetischen Smartphone zu sehen ist (s. Themen und Ästhetik).

In den dokumentarischen Folgen berichten drei betroffene junge Frauen in kurzen sich abwechselnden Passagen über ihre sozialen Ängste und ihren Weg des Umgangs mit diesen. Zwischendurch äußert sich in den Langversionen der Episoden zusätzlich die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und Fachärztin für Kinder und Jugendpsychiatrie Alexandra Serafin zu den übergeordneten Themen der jeweiligen Folge. Im Gegensatz zu dem fiktionalen Teil der Serie, gibt es im dokumentarischen Teil keine hohen Schnittfrequenzen, Beleuchtung in intensiven Farben oder markante auditive Signale. Die Interviews werden in einem minimalistisch und in neutralen Farben gehaltenen Set in einem Studio gegeben. In der ersten Folge geht es zunächst um den Alltag mit sozialen Ängsten, das erste Auftreten dieser, aber auch um den Weg der Befragten zu ihrer Diagnose und inwiefern ihnen diese geholfen hat, begleitet von einer professionellen Einschätzung der Notwendigkeit einer Diagnose. In der darauffolgenden Episode stehen die konkreten Situationen und sogenannten ‚Trigger‘, die ebenfalls erläutert werden, im Zentrum, welche soziale Ängste auslösen und zu Panikattacken führen können. Die Betroffenen schildern außerdem ihr persönliches Empfinden dieser Situationen und die inneren Prozesse, die vor potenziell herausfordernden Situationen stattfinden. Zentrale Themen der letzten Folge sind Coping-Strategien, das Vorgehen in Therapien sowie individuelle Erfahrungen mit diesen und zuletzt Möglichkeiten, welche die Interaktionen zwischen Betroffenen und ihrem Umfeld vereinfachen.

Auch wenn alle im dokumentarischen Teil der Serie behandelten Themen – interessanterweise bis auf die Therapie selbst – im fiktionalen Teil ebenfalls eine Rolle spielen, besteht keine direkte Verknüpfung mit der Handlung rund um die Protagonistin Sam. Es findet zum Beispiel keine Einschätzung der Situationen innerhalb der fiktionalen Folgen durch die drei betroffenen jungen Frauen oder die Psychotherapeutin statt und die Passagen über Panikattacken der dokumentarischen Folgen wurden nicht direkt vor oder nach den beiden Folgen, in denen Sam eine solche erleidet, auf TikTok veröffentlicht. Der dokumentarische Teil dient demnach nicht einer direkten Plausibilisierung der Handlung, sondern vielmehr einer weiterführenden Aufklärung aus medizinischen und subjektiven Perspektiven, welche auch durch die Figur Jan als Informationsquelle genutzt werden, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen und um ein besseres Verständnis für Menschen mit sozialen Ängsten zu entwickeln.

 

 Produktion, Distribution und Vermarktung

Die Webserie STABIL wurde von fünfzehn Studierenden des 5. Semesters des Studiengangs „Cast / Audiovisual Media“ der Züricher Hochschule der Künste im Rahmen des Moduls „Crossmedia-Projekt: Kreation, Produktion und Audience-Development“ (Leitung: Eric Andreae, Marc Lepetit) produziert. Die Website stabilserie.ch gibt Auskunft über den Inhalt und das Produktionsteam der Serie und bündelt zudem alle Zugänge zu den Folgen. So wurde dort der TikTok-Kanal @stabil.serie verlinkt, über den alle Folgen von Stabil.Serie und die Kurzversionen der Folgen von Stabil Doc. vom 19.01. bis 01.02.2023 jeweils im Abstand von ein bis zwei Tagen distribuiert wurden. Die Langversionen von Stabil Doc. wurden auf der Website eingebettet und können entweder dort oder auf dem gleichnamigen YouTube-Kanal der Fachrichtung Cast / Audiovisual Media der Hochschule gesichtet werden, auf dem die Folgen bereits am 15.01.2023 hochgeladen wurden. Aufgrund des sensiblen Themas wurde auf der Website der Serie außerdem das Hilfsangebot von 147.ch verlinkt. Dort wird jungen Menschen digitaler Austausch über Ängste, Cybermobbing und weitere Themen mit Berater:innen oder Gleichaltrigen angeboten. Auf der Homepage 147.ch selbst gibt es keinen Verweis auf die Serie.  

Darüber hinaus wurden vor und während der Veröffentlichung der Folgen auf dem TikTok-Account der Serie kurze Videos und Fotos der Protagonistin hochgeladen, die das zentrale Thema der Social Anxiety ankündigten. Außerdem wurden kurze Einblicke in das Material der Folgen oder aber gängigen Social-Media-Konventionen folgender Content gepostet, etwa an Memes erinnernde Videos. Diese weisen Schrifteinblendungen auf wie zum Beispiel „wenn lüt denket ich bin social welli uf konzert go fotografiere gang“ oder „ich wet use gah und neui lüt kennelerne“. Die Protagonistin blickt in diesen Clips meist direkt in die Kamera und bewegt dabei ihre Lippen zu dem Text einer externen Tonspur, welche enthüllt, was für die Figur oder Person subjektiv hinter der Beobachtung anderer oder der beschriebenen Situation selbst steckt. Hier bedient man sich nicht der in den fiktionalen Folgen verwendeten Ästhetik inklusive ihrer Darstellung subjektiven Empfindens, sondern folgt Content anderer User:innen und Influencer:innen in Sozialen Medien über Themen wie Social Anxiety oder Mental Health. Wie bereits erwähnt (s. Themen und Ästhetik), kann diese Art des Contents, von dem sich der fiktionale Teil der Serie abgrenzte, problematisch gesehen werden, da Begriffe und Verhalten, die mit psychischen Erkrankungen in Verbindung stehen, oftmals bagatellisiert, entkontextualisiert oder kommerzialisiert werden. Es bleibt fraglich, ob man sich Clips dieser Art ästhetisch und inhaltlich annähern möchte. Über diese Inhalte hinaus, wurden auf dem TikTok-Account der Serie zudem ein Trailer, Behind-the-Scenes-Material und ein separater Abspann-Clip hochgeladen, in dem das Produktionsteam vorgestellt wird.

 

Angaben

Staffeln: 1

Episoden: 7 Folgen von Stabil. Serie, 3 Stabil.Doc-Folgen

Episodenlänge Stabil.Serie: 2-3 Minuten

Episodenlänge Stabil Doc.: 4-6 Minuten auf YouTube, 22-38 Sekunden auf TikTok

Erscheinungsrhythmus: alle 1-2 Tage

Zuerst gezeigt auf: TikTok, die Langversionen von Stabil Doc. auf YouTube

Regie Stabil.Serie: Jessica Baumgartner

Regie Stabil Doc.: Noemi Aeschlimann

Produktion: Cast / Audiovisual Media (Leitung: Eric Andreae, Marc Lepetit)

Jahr: 2023

Genre: Coming-of-Age; Dokuserie

 

Abrufbar unter

https://www.tiktok.com/@stabil.serie (Zugriff: 31.07.2023).

https://stabilserie.ch/DOKU-EPISODEN (Zugriff: 02.08.2023).

Cast / Audiovisual Media [YouTube], https://www.youtube.com/watch?v=NDo5-71VFuo&list=PLayrw-0c9mOZk5nKT4x1xzqlWcbm_hJZd (Zugriff: 02.08.2023).

 

 

Forschungsliteratur

Münschke, Frank (2023 [2018]): Coming-of-Age-Film. In: KinderundJugendmedien.de. Erstveröffentlichung: 13.08.2018. (Zuletzt aktualisiert am: 18.07.2023). URL: https://www.kinderundjugendmedien.de/begriffeund-termini/2482-coming-of-age-film. (Zugriff: 06.08.2023).

Schumacher, Julia (2013): Jugendfilm. In: Markus Kuhn, Irina Scheidgen, Nicola Valeska Weber (Hgg.) Filmwissenschaftliche Genreanalyse. Eine Einführung. Berlin/Boston. 295–313.

 

Sonstige Quellen

https://stabilserie.ch/ (Zugriff: 31.07.2023).

https://www.adc.ch/de/nachwuchs/medaillenspiegel/S2.23.590/ (Zugriff: 31.07.2023).
https://www.147.ch/de/beratung/dein-kontakt-zu-uns/ (Zugriff: 31.07.2023).
https://www.zhdk.ch/meldung/erste-schweizer-tiktok-serie-ueber-social-anxiety-6040 (Zugriff: 02.08.2023).
BRUST RAUS [YouTube], https://www.youtube.com/watch?v=BozRSvSDgBI (Zugriff: 04.08.2023).
https://zadz.ch/alexandra-serafin/ (Zugriff: 05.08.2023).
https://cast.zhdk.ch/news/erste-schweizer-tiktok-serie-ueber-social-anxiety-6042/ (Zugriff: 08.08.2023).
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8564269/ (Zugriff: 21.08.2023).
https://link.springer.com/article/10.1007/s00103-023-03720-5#citeas (Zugriff: 21.08.2023).
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7440121/ (Zugriff: 21.08.2023).


Anmerkung

Die Originalsprache der Webserie ist Schweizerdeutsch. Zugunsten einer besseren Lesbarkeit werden für Zitate die hochdeutschen Untertitel verwendet, die den Folgen von Stabil. Serie seitens der Produktion hinzugefügt wurden.

 

 

 

(Henriette Cromm, 21.09.2023).